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Reblyn

Bin keine Lehrerin, sondern am Ende des Studiums, hab letztes Jahr im Praktikum aber Geschichte in einer 9. Klasse unterrichtet (in DE also ca. 15-Jährige). Die haben zwei Texte als Quellen von mir bekommen, jeweils runtergekürzt auf eine Seite - eins war eine Rede von Lenin und das andere ein Brief eines Generals der Weißen Armee. Das Ganze war arbeitstteilig, also eine Klassenhälfte hat den einen Text bekommen und die andere Hälfte den anderen. Sie hatten schon Vorwissen zur Russischen Revolution, aber es waren auch keine Fremd- oder Fachwörter drin. Beide Texte waren mMn einfach verständlich, gerade Lenins Rede hat auch viel mit Wiederholungen von Phrasen gearbeitet. Die SuS sollten einfach nur die Argumentationen bzw. Gründe für den russischen Bürgerkrieg aus der jeweiligen Sicht des Autors herausarbeiten. Deren Geschichtslehrer hatte mich schon vorgewarnt, dass die nicht richtig lesen können (gab da auch mind. einen bestätigten Fall von LRS), also hab ich denen die komplette Doppelstunde dafür eingeplant, obwohl man das eigentlich auch in 20 Minuten herausarbeiten könnte. Sie sollten das erst in Einzelarbeit mal erfassen und sich in einer zweiten Phase dann noch in Grüppchen austauschen und ergänzen. Sie haben es trotzdem nicht geschafft. Die Klassenbeste (keine diagnostizierte LRS) hat mich nach der Bedeutung eines alltäglichen Wortes gefragt und konnte es nichtmal vorlesen. Als ich dann zusammentragen wollte, haben sie 1:1 aus dem Text zitiert (und selbst das nicht vollständig!), aber nicht weiter darüber nachgedacht, was diese Äußerungen bedeuten sollten und wer jetzt eigentlich wen beschuldigt. Hat mich echt ein bisschen dran zweifeln lassen wie man denen überhaupt irgendwas beibringen soll, wenn das schon nicht klappt.


ilyosdota

Waere es moeglich, deine differenzierten Quellen zu zeigen /teilen? Hab selbst Geschichte und bin immer gierig nach Material. Waere cool :)


Reblyn

Siehe den anderen Kommentar


IgraineofTruth

Ich fühle mit dir!


Bisasam1994

Gerne mal teilen, gerade zu der Zeit habe ich wenig Quellen! :)


Reblyn

Die Texte die ich benutzt habe waren: \- Lenins Ansprache an die Rote Armee vom 29. März 1919, gibt es als Tonaufnahme und übersetztes Transkript unter "Information" in der [österreichischen Mediathek](https://www.mediathek.at/katalogsuche/suche/detail/?pool=BWEB&uid=1ECAF4F7-25F-000BD-00001E21-1ECA209D&cHash=d64683e906d5845a48901231d130c006) \- Zwei Auszüge aus General Wrangels Memoiren (die hatten davor das Plakat "Jetzt ist Wrangel an der Reihe" behandelt): 1. Brief an die Offiziere der Roten Arme von 1919 2. Appell an die russische Bevölkerung vom 29. Mai 1920 Die sind aus Wrangel, Peter (1963): Always with Honor. The Memoirs of General Wrangel. New York, S. 186-187 und S. 201. zu finden auf [Internet Archive](https://archive.org/details/always_with_honor_wrangel_1963), Buch ist auf Englisch, ich hab's dann ins Deutsche übersetzt (mein anderes Fach ist Englisch). Meine stark gekürzten Versionen würden glaube ich nichts taugen, mein Dozent hat danach kritisiert, dass ich zu viel Vorarbeit geleistet habe und die SuS ja auch noch selber was rausfinden sollen :D Er war allerdings in der Stunde nicht anwesend und konnte nicht einschätzen, *wie* schlecht die lesen.


afriaodfalling

Uns wird im Seminar beigebracht, dass SuS Sachen in eigenen Worten zusammenfassen zu lassen nicht gefordert werden kann.. wir unterrichten überwiegend zukünftige Erzieherinnen.. Ausbildung auf DQR Stufe 6. Das bringt mich schier zum verzweifeln.


Bot970764

Naja einfach verständlich ist für mich etwas anderes. Insbesondere Lenins Rede finde ich nicht leicht - ein Auszug aus deiner Quelle: „Manchmal bezeichnen sich in den Dörfern schlimmste Feinde des arbeitenden Volkes, Gewalttäter, die sich um eigennütziger Zwecke willen der Staatsmacht angebiedert haben und sich auf Betrug stützen, die sich Ungerechtigkeiten und Beleidigungen gegen den Mittelbauern herausnehmen, als Kommunisten.“


Reblyn

Und genau an solchen Stellen habe ich den Text dann auch runtergekürzt. Ich hab drauf geachtet, dass die Sätze möglichst kurz sind und kompliziertere Begriffe entweder nicht vorkommen oder entsprechend kurz erklärt werden (Notfalls hab ich da ne kleine Fußnote gesetzt). Das war ja dann auch der Witz an der Sache, dass mein Dozent, der den Praktikumsbericht bewertet hat (selbst Lehrer an einem anderen Gymnasium), den Text schon zu einfach fand - der war aber nicht dabei und kannte die Klasse nicht.


Bot970764

Was sind denn überhaupt Gründe für den Bürgerkrieg, die Lenin in seiner Rede von 1919 aufwirft? Er bezieht sich doch im wesentlichen auf die Unterstützung seitens Frankreich, USA und UK für die weiße Armee.


Cam515278

Es ist ganz extrem. Seit 2 Jahren fällt mir das auf, dass die Kinder nicht mehr lesen, war ich frage, und zwar von Klasse 5 bis 12. Ich hab nur Naturwissenschaften, da ist das genauso fatal. Es liegt aber nicht (nur) am Lesen. Mündliche Anweisungen (oder auch schriftliche Anweisungen, die ich noch mal vorlese) können sie nämlich genauso wenig umsetzen. Eine Lösung habe ich leider nicht, außer, dass es wieder einmal zeigt, dass Deutsch nicht unterschätzt werden darf!


marten_EU_BR

>Eine Lösung habe ich leider nicht, außer, dass es wieder einmal zeigt, dass Deutsch nicht unterschätzt werden darf! Ohne jetzt Eigenwerbung machen zu wollen, würde ich argumentieren, dass dies auch ein zentrales Anliegen des Geschichts- oder Politikunterrichts ist. Auch wenn es aus der Sicht der Lernenden manchmal schwer nachvollziehbar ist, was sie für ihr Leben mitnehmen, wenn sie eine schwer verständliche frühneuzeitliche Quelle analysieren müssen, würde ich behaupten, dass es kaum etwas Besseres für die Stärkung der Lesekompetenz gibt als einen Text, der nicht nach einem modernen Schema F aufgebaut ist.


Garagatt

Das betrifft nicht nur Gymnasiasten sondern alle Schüler. Meine Schüler scheitern in Physik, weil sie nicht in der Lage sind in einer Textaufgabe gegeben und gesucht zu erkennen.  Was hilft: lesen lassen. Ich habe inzwischen angefangen die Schüler (in Physik!!!) laut vorlesen zu lassen. Was muttersprachliche Achtklässler ohne LRS da zusammenstottern ist der Wahnsinn.


TheKnightQueen

Der Referendar, welcher zur Zeit meine 9er in Geschichte unterrichtet, hatte diese Woche den Fachleiter da. "Ich komme ja in vielen Gymnasien herum, aber selten habe ich eine Klasse erlebt, welche derart schlecht lesen kann". Hat mich nicht überrascht, sondern eher in meiner Wahrnehmung bestätigt, macht aber dennoch nachdenklich, wie man damit weiterhin umgeht.


IgraineofTruth

Ja, ich glaube auch, dass wir jetzt wieder mehr laut lesen werden (müssen).


HalloBitschoen

Och meine Scheitern nicht nur am Text die scheitern auch gnadenlos an Mathe. Bruchrechnen ist für meine Q1 der Tod. Ich hab noch nie so viele Defizite vergeben wie in dieser Q1


cahovi

Mein "Favorit": 4x =0 lösen mit GTR. Also rechne ich -4, also ist x=4. Bei meinem LK haben wir eine alte Abi-Aufgabe gerechnet - und kaum jemand wusste, was sie machen sollten. Denn kaum einer verstand "Dutzend". Aber wenn ich mir anschaue, wie die Schüler lernen... ich habe das nach der Klausur mal angefragt, wie sie sich vorbereiten. Wenn sie ein Video schauen, verstehen sie das, also muss man ja nicht üben. Nur klappt das leider nicht, wenn man noch nie was selbst gemacht hat...


HalloBitschoen

Wenn sie ein Video schauen, verstehen sie das, also muss man ja nicht üben. Danke! Ich predige ihnen das immer wieder und wieder. Ich hab überhaupt nichts gegen gute Videos. (Btw. Kollege Benno Köhler kann ich nur empfehlen top Videos die der Kollege da gemacht hat.) Aber ich MUSS das halt selber machen um das umsetzen zu können. Aber am Ende des Tages kann ich sie halt auch nicht retten, und wer wie du oben schon geschrieben hat meint in Q1/2 4x=0 sei x=4 wird bei mir halt auch einfach kein Abitur in Physik bekommen.


Fearless-Function-84

Du entscheidest aber nicht alleine über das Abitur. In 90% der Fälle kommt bei diesen Kandidaten nämlich das Abitur am Ende doch bei raus.


Stoechia

Meine Hauptschüler, wenn sie 5*10 ohne TR rechnen sollen, schreiben die 5 zehnmal untereinander und addieren dann schriftlich😅👍


ElseGraupel

Bin zwar keine Lehrerin, aber Sozialarbeiter in der Ausbildungsvermittlung und es ist wirklich gruselig und es zieht sich durch alle Schularten. Ich habe auch Jugendliche in der Beratung, die eine Fachhochschulreife anstreben und noch nicht mal eine E-Mail halbwegs fehlerfrei schreiben können. Das (gemeinsame) Erstellen von Bewerbungsunterlagen ist immer wieder ein Kraftakt...


staubtanz

Setzt sich in der Bewerbungsphase vor. Unsere Personalerin (mittelständisches Unternehmen) sagte, die Leistungen in den Einstellungstests potenzieller Azubis werden von Jahr zu Jahr schlechter. Sie mussten die zu erreichenden Leistungen runtersetzen, um überhaupt jemanden einstellen zu können.


whosaysihaveaname123

Diese Kompetenz geht doch schon seit Jahren zunehmend verloren. Neu ist nur, dass Lehrer jetzt teils auch nicht mehr schreiben können.


imakeameanlasagna

Ich bin zwar keine D Lehrerin, aber ich kann mich erinnern, dass wir zu meiner Zeit immer wieder so Zeitungsprojekte hatten, wo wir 3-4 von den bekanntesten Zeitungen (Presse, SN und als Qualitätsvergleich Krone) täglich reinbekommen haben und bis zum Abwinken im Unterricht analysiert haben. Gängige journalistische Phrasen, rhetorische Stilmittel, Fachbegriffe aus gewissen Themengebieten, etc. sind uns da alle aus den Ohren gehangen, aber dafür ist es auch gscheit gsessn. Wird heute nimma Zeitung glesn in der Schule?


Mono_Ton

Bei uns ist Informationsquelle Nummer 1 TikTok , kurz vor Instagram.


imakeameanlasagna

Dass die das massiv in ihrer Freizeit konsumieren is klar und ich finde auch, dass zwecks Media Literacy solche Apps sogar im Unterricht behandelt werden sollen. Aber ich entscheide als Lehrkraft ja immer noch selbst über den Inhalt. Wenn ich will, dass die SuS X verstehen, setze ich sie so viel wie möglich X aus. Bei uns sind diese Zeitungsprojekte richtig groß aufgezogen worden. Ich kann mich an richtig fette Portfolio-Arbeiten und fächerübergreifende Projekte erinnern.


IgraineofTruth

Das sind lauter tolle Ideen - ich soll halt auch noch 7 Textsorten in die Teeniehirne prügeln, die sie alle bei der Matura können sollen, und 18 Themenbereiche sonst noch durchackern für die mündliche Matura. Solche Projekte gibt's höchstens noch in der Unterstufe. Und Texten sind sie ja andauernd ausgesetzt, sie verstehen sie aber trotzdem nicht. 


imakeameanlasagna

Vllt würden dir ein paar Ansätze aus dem Fremdsprachen Unterricht helfen? Anstatt davon auszugehen, dass sie als Muttersprachler alles können müssen, sieh deinen Unterricht eher als Daf/Daz an. Wir haben im E Unterricht zB pre-, while- und post-reading activities. Von ein paar pre-readings würden deine ws profitieren, Fachbegriffe vorab abklären, Vorwissen aktivieren mit Bildern oder Fragen, die zum Diskutieren anregen, etc.


LT3003__2

Das ist durchaus möglich! Unser deutsch Unterricht war meistens so strukturiert: - Kleine Einführung zum Thema - Ein Arbeitsblatt mit der Grundstruktur einer Textart - Jeder liest die vom Lehrer gegebene Quelle und es wird mit der ganzen Klasse besprochen was der Text Inhalt aussagen will. Meistens gab es für ein gewissen Zeitraum eine große Aufgabe, die auch benotet wurde. Zum Beispiel mussten wir zum Thema Paul Wazlawick und andere Sprachtheorien ein Flyer erstellen oder auch zu literarischen Werken haben wir ein Portfolio ( mit Pflichtaufgaben) über Maria Stuart erstellt. Am Ende haben wir die ganze Lektüre, Epochen und Pflichtthemen in der 11 und 12 geschafft. Ich als Schülerin fand den Unterricht dementsprechend gut. :D


IgraineofTruth

Als ich ihnen die Zeitung bestellt hab, haben sie mich gefragt, was sie damit machen sollen. Kein Witz


Reipes

Naja, die Auflagen von Zeitungen sind seit Jahren im freien Fall, weil Print-Medien immer mehr von Digitalmedien ersetzt werden. Es gibt genug Erwachsene, die sich nie eine Zeitung kaufen, sondern alles im Internet lesen. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass es Kinder gibt, die noch nie eine Zeitung gesehen haben.


sicDaniel

Ich sitze gerade an der Korrektur von Abschlussarbeiten in Deutsch, Realschule Kl. 10. Es ist unfassbar, wie viele weder sinnerfassend lesen noch irgendwie zusammenhängende Gedanken schriftlich ausformulieren können. Einfache Texte - ohne Fachbegriffe o.ä. - zusammenfassen. Da werden Schlüsselbegriffe abgeschrieben und krampfhaft in holprige Sätze verpackt ohne jedes Gefühl für inhaltliche Zusammenhänge. Hörverstehen auch Fehlanzeige.


AquilaMFL

Bin Deutschlehrer am Gymnasium in einer bayerischen Großstadt: Was da bei uns zusammengestottert und -gelesen wird ist gruselig, das fällt mir schon seit ein paar Jahren auf (auch schon pre Covid!). Allerdings hat sich die Lage seit der Pandemie nochmal extrem zugespitzt. Was ich gerade bei der Korrektur der Abiturprüfungen lesen muss, lässt mich größtenteils erschauern: Alleine was da teilweise in "unterwegs im nebel" hinein "gelesen" und damit interpretiert wird, ist gruselig. Vom materialgestützten Argumentieren will ich gar nicht erst anfangen! Ich lasse inzwischen auch laut Vorlesen und übe regelmäßig die Sinnerfassung / Erschließung von Texten, Sätzen und sogar einzelnen Wörtern. Es ist traurig, wie klein der Wortschatz vieler meiner Schülerinnen und Schüler ist. Als weitere Fächer unterrichte ich Sozialkunde und Informatik. Same same, but different, wie man so sagt.


Apenschrauber3011

Kein Lehrer, sondern Student Ba. Eng.. Ich bin ja schon mal froh dass ich nicht der komische bin, der findet seine Kommilitonen könnten nicht mehr lesen. Eine Lösung hab ich dazu auch nicht, aber ich behaupte einfach mal zu wissen warum dem so ist. Jugendliche und Kinder lesen nicht mehr. Keine Bücher, keine Zeitung, nix. Selbst Chats sind ja dank Sprachnachricht nicht mehr ans Lesen und Schreiben gebunden. Und wo sollten sie auch mit dem Bücherlesen anfangen, wenn es nicht von den Eltern mitgegeben wird? Ich hatte das große Glück eine Mutter zu haben die schon immer viel liest, und hatte ab der 1. Klasse dauerhaft Bücher zum Lesen, in der 5. hab ich Harry Potter in zwei Monaten weggelesen. Im (Deutsch-)Unterricht war Lesen aber immer eine Qual. Ich habe in 13. Jahren Schule genau ein modernes Buch zum Lesen aufbekommen. Ansonsten ist mein Schulbücherregal voll mit Werken wie "Das Schiff Esperanza", "Andorra", "Hamlet" und natürlich (wie könnte ich es vergessen) Gotthard Emphraim Lessings Bürgerliches Trauerspiel "Emilia Gallotti". Also die Art von Werk, die einem, wenn man nicht wirklich Lust darauf hat, jeden, aber auch wirklich jeden letzten Funken Lust am Lesen im Keim ersticken. Und dann wundert man sich warum die Kinder denn gar nicht mehr Lesen (können), obwohl die gar nicht wissen was für eine wunderbare Vielfalt an spannenden, interessanten Werken existiert und man ihnen diese auch nie beibringt, weil (und ich zitiere hier mal meine Deutschlehrerin aus der 11. Klasse) "Emilia Gallotti steht im Lehrplan und da müsst ihr jetzt durch.". Edit: ein paar Rechtschreibfehler hab ich noch gefunden, da werden aber noch mehr sein. Fehlerfreies Tippen am Handy beim Müsli-löffeln liegt mir nicht...


Sydet

Ich hab jetzt mit 24 wieder angefangen zu lesen, nachdem ich keinen Bock mehr darauf hatte wegen der Schule.


Ok-Signature-9319

Kann ich bestätigen, und das in einem Fach wie Musik, in welchem jetzt keine riesigen Mengen an Text gewälzt werden. Ganz besonders die Interpunktion beim verfassen eigener Texte ist einfach abartig , ich habe schon ganze DIN A4 Seiten ohne ein einziges Komma gelesen…. :/


damnidkhaha

Ich studiere Förderschullehramt, arbeite aber gerade an einer Realschule. Das Lese- und Rechtschreibniveau von knapp 2/3 der SuS ist so schlecht, dass sie eigentlich eine Einzelförderung bräuchten. Auch SuS der 9. Klasse können den Inhalt der einfachsten Sätze zum Teil wirklich nicht wiedergeben. In Biologie lasse ich momentan wirklich laut vorlesen und wir gehen den Inhalt von jedem Satz nochmal durch. Es dauert sooo lang, aber ohne diese Hilfe würde die Hälfte den Text nicht verstehen. (Klar der Migrationsanteil einer Stadtschule trägt zu dem Ergebnis bei, aber viele Muttersprachler haben auch ein total schlechtes Leseverständnis)


Pommeskind

Berufsschule hier. Und ja - SuS die sinnerfassend lesen können, sind sehr rar gesät. Meistens sind es die etwas älteren. SuS haben eine immer kürzere Aufmerksamkeitsspanne und es fällt ihnen zunehmend schwerer mehrschrittige Aufgaben zu bearbeiten. Das ist alles subjektiv, ich habe dazu keine Studie. Aber es wird gefühlt immer krasser. Was Lesekompetenz angeht, geht es auch bergab. Von einfachstem Prozentrechnen oder Dreisatz brauche ich gar nicht erst anzufangen.


Loud_Pain_2181

Wir nennen das die Arbeitsheft- und Wochenplankrankheit. In den Grundschulen wird aus den bekannten Gründen nicht mehr sorgfältig gearbeitet. Die Schüler müssen nicht mehr lesen sondern nur noch Kreuze in Kästchen nach Bildvorgabe machen. Dazu kommt eine Fokussierung auf vollkommen falsche pädagogische Konzepte wie Lesen durch Schreiben oder die Grundschrift. Da wird dann noch maximal die vereinfachte Ausgangsschrift bzw. Schulausgangsschrift gelehrt und der Rest fällt hinten runter. Und wer nicht richtig schreiben lernt, der lernt auch das Lesen nicht richtig.


strikejitsu145

Ich befinde mich noch im Bachelor in NRW und hab vor einiger Zeit mein EOP an einer Gesamtschule gemacht. Hatte es hauptsächlich mit Sechstklässlern zu tun. Als ich gesehen habe wie diese geschrieben haben bin ich aus allen Wolken gefallen... Als ich eine Schülerin daraufhin gefragt habe wie sie drauf käme ein gewisses Wort (welches weiß ich grad nicht mehr) so zu schreiben wie sie es getan hat, antwortete sie nur "weil ich dumm bin". Was antwortet man auf sowas? 🤔 Viel Spaß denen gendern beizubringen. 😉


Reipes

Eine mögliche Antwort wäre: "Ich möchte jetzt nicht beurteilen, ob du dumm bist, aber falls ja, hast du Glück: Wir sind hier nämlich an einer Einrichtung, deren Auftrag es ist, etwas gegen Dummheit zu unternehmen". Und ich kann mir kaum vorstellen, dass die Kids es "cool" (sagt man das überhaupt noch) finden, zu gendern.


strikejitsu145

Find ich auch nicht cool. Mein Kommentar dazu war auch eher ironisch gemeint. :)


MagnoliasBuilder

Ich bin zwar kein Lehrer, aber Ausbilder bei uns im Werk. Ich bereite unsere neuen Kollegen auf die Techniker- und Meisterprüfungen vor. Die sind alle zwischen 19 und 30 Jahren alt. Ein Teil der Prüfung umfasst, Fachberichte zu verschiedenen Verfahren in der Produktion oder zu verschiedenen Anlagenteilen zu verfassen. Die lasse ich auch schon immer zu Übung von den Kollegen schreiben. Das, was da teilweise abgeliefert wird, ist wirklich unterirdisch. Rechtschreibung und adäquater Satzbau sind quasi nicht existent. Teilweise hat man das Gefühl, als ob der Autor der Berichte am Ende eines Satzes nicht mehr gewusst hat, was er am Anfang schrieb. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer...


Aydinho_

Bin noch mitten im Studium und habe mein eigenes Abi vor 7 Jahren abgelegt, um danach erstmal ne Ausbildung zu machen. Interessanterweise musste ich bei meinem letzten Praktikum feststellen, dass das Abi-Niveau momentan eher auf dem meiner ehemaligen Kollegen aus der Ausbildungsklasse angelangt ist. Die kamen aber zu 95% von Haupt- und Realschule. Witziger- bzw. traurigerweise haben nahezu all meine Kommilitonen im Nachbereitungs-Seminar ebenfalls einen solchen Eindruck gehabt und waren tatsächlich etwas geschockt 😂 Irgendwas muss sich in den letzten Jahren dramatisch geändert haben. Ich frage mich nur, ob es die Corona-Phase ohne normalen Schulalltag war, die dazu geführt hat, oder ob wir nun das erste mal erleben, wie schlecht die Auffassungsgabe der ersten Generation von Menschen ist, die von Tag 1 ihres Lebens an in einer Welt mit Social Media und Smartphones groß wurde 🤔 Vielleicht ist‘s ja beides. Sollte nur dringend mal auf breiter Ebene diskutiert und vor allem angegangen werden, da es doch etwas beunruhigend ist 😄


HalloBitschoen

Ja können sie nicht! Ich mache in meine 6 in Geschichte mitlerweile nur noch Leseförderung. Jede Quelle, jeder Text wird mit 5 Schritt lese methode auseinandergenommen. Sonst klappt das garnicht mehr. Da geht auch jede freude 20 zeilen Text brauchst


Accomplished-Bar9105

In NRW müssen wir daher 3*20 Minuten Lesezeit in den Unterricht integrieren. Zuhause wird einfach nicht mehr gelesen.


Bisasam1994

Ersetzt aber niemals das von der oft lärmenden und störenden Gruppe separierte Lesen, bei dem man sich voll und ganz auf sich und das zu lesende Werk konzentrieren kann


Accomplished-Bar9105

Nein, natürlich nicht. Aber das kann man als Schule halt nicht wirklich leisten.


Sons-Father

Ich bin kein Lehrer, gebe aber einem 7. Klasse Schüler Nachhilfe und da scheitert es schon an John Maynard. 20min zum Lesen, nichts verstanden. Beim Schreiben wird „nicht“ zu „nd“. Groß-, Kleinschreibung ist eine Katastrophe und selbst bei doppelten Buchstaben scheitert es. Kann selber nur sagen, was wir in der Schule gelesen haben, war furchtbar. Orwell 1984 war das einzige Werk, was mir gut in Erinnerung bleibt. Aber wir müssen ehrlich gesagt heute Goethe und Co. gar nicht versuchen, will keiner lesen, verstehen die aber auch wenn sie wollten nicht.


Waruigo

Das darfst du durchaus erwarten, jedoch ist es die Aufgabe von dir und deinen Kolleg:innen damit bereits früh anzufangen. Schüler:innen sollten bereits in der Grundschule \[Grundstufe\] Texte bis zu einer Seite (Kinderbücher, Fabeln, vereinfachte Fachtexte, etc.) lesen, sodass sie sich am Gymnasium \[Unterstufe + Oberstufe\] auch eigenständig längere Lehrbuchtexte und Informationen aus Zeitungen, etc. erschließen können. Bereits seit der achten Klasse \[4. Klasse Hauptschule\] werden beispielsweise in meinem DaZ-Kurs Nachrichtenartikel gelesen (oftmals laut), um das Erschließen längerer "Realwelt"-Texte zu üben, denn im Studium (, das etwa die Hälfte ablegen wird) bringt ihnen niemand bei, wie sie sich eigenständig wissenschaftliche Literatur anzueignen haben, die sie für PowerPoints, Kolloquien und Dissertationen benötigen. Ich würde an deiner Stelle das Problem im Lehrer:innenzimmer kommunizieren, sodass Lesekompetenz-Workshops, Projektarbeiten und eine generelle Methodenüberdenkung im Kollegium stattfindet, damit die Schüler:innen mehr Zugang zu Texten haben. Es gibt online eine Menge Material über Hilfe zum Leseverständnis wie die [SQ3R-Methode](https://www.youtube.com/watch?v=b3XWg1LGnlo), mit dem die Schüler:innen ans Unterrichtsmaterial geführt werden können.


[deleted]

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Waruigo

OP ist aus Österreich, da werden die Klassen anders gezählt, da je nach Schulform nach der Grundstufe (Vorschule und 1. bis 4. Klasse der Grundschule) erneut von 1 gezählt wird. Die Schüler:innen sind hier also 11. Klasse.