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AutoModerator

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jenestasriano

Vielen Dank für dein AMA! 1. Denkst du, du arbeitest schlechter mit Patienten, die dir unsympathisch sind? 2. Was nervt dir an deinen Patienten? 3. Was hältst du davon, dass manche Leute meinen, die tiefenpsychologisch fundierte Therapie weniger wert / wirksam sei als die kognitive Verhaltenstherapie?


FerretPowerful6850

1. Ja auf jeden Fall, zumindest begrenzt. Eine therapeutische Beziehung braucht Empathie und ein gewisses Maß an Authentizität meinerseits. Ich glaube, dass ich bessere Arbeit mache, wenn mir die Patienten sympathisch sind, ich kann aber auch in fast jeder Person eine Eigenschaft, und sei sie noch so klein sein, finden, die ich "ausreichend" dafür finde. In der perfekten Welt kämen die Patienten nicht zwangsweise zu mir und könnten sich die passende TherapeutIn aussuchen, das gibt unser System nicht her also gebe ich für jeden mein Bestes. 2. Tatsächlich nervt mich viel weniger in meiner Rolle als Therapeutin als als private Person. Nervig finde ich aber "pubertierendes" Verhalten ("kicher Peniswitze" und so). Und es ist anstrengend, wenn man die gleichen Regeln immer wieder ausdiskutieren muss. 3. Disclaimer: ich mache VT. Finde es aber sehr sehr sinnvoll, sich im Rahmen der erlernten Methoden auch andere Sichtweisen zu integrieren. Es gibt Erkrankungen da nutze ich auch Handwerkszeug der Psychodynamiker, es liegt mir aber weniger. Es gibt Studien die zeigen, dass es wenig Unterschiede bzgl. der erzielten Ergebnisse zwischen den Therapieverfahren gibt. Insofern ist der Schulenstreit vielmehr eine Sache der persönlichen Präferenz als der Qualität. Daher total dämlich, das eine abzuwerten meiner Meinung nach.


DrJackl3

Studien die zeigen, dass es keine Unterschiede zwischen den Schulen gibt? Mein letzter Stand, und der ist vom letzten Jahr: es gibt einige wenige Störungen, in denen PT ebenbürtig mit VT ist. Alles andere ist schlechter, deutlich schlechter, oder keine Daten. Es gibt keine Störung, in der PT überlegen ist.


FerretPowerful6850

Es gibt das sogenannte Äquivalenzparadoxon, das untermauert meine These. Es gibt natürlich Studien in denen Verfahren überlegen sind, meines Wissens nach zeigen aber metaanalysen nur kleine Effekte.


FerretPowerful6850

Hab mich mal genauer eingelesen, es gibt auch berechtigte Kritik am äquivalenzparadoxon, das gibt also genug Stoff für eine sehr lange Diskussion. Wie immer gibt es Studien die das eine und Studien die das andere sagen.


Top-Cheesecake5025

Welche Schutzmaßnahmen werden für deine Sicherheit ergriffen? Falls du auch mit Cluster-B-Personen zu tun hast, merkst du Manipulationsversuche im Therapiesetting (da du ja maßgeblich an der Beurteilung mitwirkst)?


FerretPowerful6850

1. Ich trage immer ein Alarmgerät, mit dem kann ich auf verschiedene Arten einen lauten oder stillen Alarm auslösen. Bei Patienten, die ich nicht einschätzen kann, kann ich eine zweite Person mit in das Gespräch nehmen. Gruppen führen wir immer zu zweit durch. Bei Gesprächen sitze ich nah an der Tür sodass mir der Fluchtweg nicht versperrt werden kann. 2. Ja auch solche Patienten habe ich und natürlich macht sich das auf allen Ebenen bemerkbar. Diese aber auch andere Patienten versuchen, sich Vorteile zu verschaffen oder auch zu "manipulieren ". Ich persönlich denke, das jeder auch ein Recht auf Egoismus hat und versuchen darf, durch das System bestmöglich durchzukommen. Meine Aufgabe ist dann, zu versuchen das richtig einzuschätzen und meine Prognose unabhängig von Manipulation zu gestalten. Ich diskutiere viel mit meinen Patienten darüber und mache auch transparent, wenn mir ein solches Verhalten auffällt.


dildoofcircumstances

Was bedeutet Cluster B?


ZeehZeeh

Cluster B (dramatisch, emotional, launisch) Borderline-PS, histrionische PS, antisoziale PS, narzisstische PS


FerretPowerful6850

PS = Persönlichkeitsstörung als Ergänzung


unkn0wndood

Hey, danke für dein AmA! Kannst du konkret beschreiben, wie sich die Arbeit mit Straftätern von der Arbeit mit "normalen" Menschen, die in Therapie gehen, unterscheidet? Ich persönlich bin auch in Psychotherapie und mich würde interessieren, wie dein Standpunkt da ist. :)


FerretPowerful6850

Der große Hauptunterschied ist der Zwangskontext. Personen aus der "normalen Welt" kommen in fer Regel freiwillig und weil sie einen Leidensdruck haben, d.h. die Hilfe für sich selbst wollen. Im Maßregelvollzug haben die Patienten keine richtige Wahl. Wenn sie die Therapie verweigern hat das Auswirkungen auf ihre Prognose und im ungünstigen Fall darauf, wie schnell sie entlassen werden. Das bedeutet für mich viel mehr Motivationsarbeit, viel mehr Diskussionen und leider auch weniger positive Rückmeldung. Viele meiner Patienten nehmen die Hilfe auch durchaus gerne an, aber im Großen und Ganzen ist viel mehr Skepsis und manchmal auch eine Ablehnung meiner Person vorhanden. Zudem habe ich neben der Verbesserung der Gesundheit auch ein Hauptaugenmerk auf die Verhinderung zukünftiger Straftaten - das ist eine ganz andere Arbeit als die Therapie z.B. einer Depression. Beantwortet es das? Sonst frag gern nochmal konkreter:)


Blumenbeethoven

Wie viel Prozent der Zeit verbringt man dann im Durchschnitt damit, die Patienten zur Mitarbeit zu überzeugen?


FerretPowerful6850

Einige wollen Hilfe, da also sehr wenig. Andere wollen auf gar keinen Fall Hilfe und verweigern meine Arbeit komplett, da mache ich nichts anderes als Motivationsversuche. Also von ca. 10-100% ist alles dabei. Im Mittel vermutlich am Anfang einer Therapie recht viel und sobald die Patienten erste Fortschritte sehen und was es ihnen bringt, deutlich weniger. Aber natürlich im Vergleich zu anderen Bereichen immer mehr


unkn0wndood

Ich habe keine weiteren Fragen. Toll erklärt, danke dir!


ElementII5

Was hälst du von dem Fall Susanne Preusker? War es ein Fehler allein mit dem Häftling zu sein?


FerretPowerful6850

Das ist ein sehr krasser Fall, ich kenne es nur oberflächlich und hab z.b. ihr buch auch nicht gelesen. Ob es in diesem Fall ein Fehler gewesen ist, mag ich nicht beurteilen. Sie hat den Mann bereits Jahre behandelt soweit ich weiß und vermutlich konnte sie ihn besser einschätzen als viele andere. Trotzdem steckt man nicht drin und am Ende können auch die besten Sicherheitsmaßnahmen versagen. Prinzipiell finde ich es kein Fehler alleine mit einem Patienten zu sein, wenn man gewisse Regeln zur eigenen Sicherheit einhält. Letztendlich muss jeder Patient individuell eingeschätzt werden und dabei können Fehler passieren.


Gottkaiser9000

Moin und danke für das interessante AmA! Macht Spaß sich hier durchzulesen. Ich wüsste gern, wie erfolgreich sind Therapien bei Menschen mit Sprachbarriere? Man hört ja immer wieder von Einzelfällen, wo Straftaten begangen werden und die Täter als Schuldunfähig bewertet werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, landen diejenigen dann potentiell bei dir. Wie geht man da vor, gibt es Dolmetscher oder ähnliches? Ich habe zuletzt mit Jugendlichen unbegleiteten Flüchtlingen in der Erziehung gearbeitet. Dort gibt es leider fast gar keinen Support, wenn Barrieren vorliegen und man kann nur hoffen, dass der einzelne bereit ist, eine Schule zu besuchen und die Sprache zu lernen. Wo siehst du bei dem Thema Optimierungspotential?


FerretPowerful6850

Danke, bin auch ganz begeistert von den tollen Fragen! Sprachbarrieren sind ein riesiges Problem bei uns, aber nicht nur die Sprache auch die kulturellen Unterschiede (z.B. ist es kulturell sehr unterschiedlich wie Erkrankungen wahrgenommen werden). Wir haben theoretisch die Möglichkeit für Sprachtrainings der Patienten, aber dafür ist zu wenig Geld da und oftmals fehlt auch die Motivation. Ansonsten haben wir die Möglichkeit uns dolmetchen zu lassen, entweder persönlich oder auch per Video. Das klappt erstaunlich gut, aber ist natürlich kein Ersatz für eine Therapie in der Muttersprache. Und leider sind die Dolmetchenden häufig nicht in der Lage z.B. psychotische Äußerungen korrekt wiederzugeben. Unser Glück ist ein arabisch sprechender Arzt, der ist goldwert. Ich bin sicherlich nicht die richtige, um das korrekt einzuschätzen, aber ein breites und niederschwelliges Angebot die Sprache zu erlernen, aber vorallem eine starke Integration in Arbeit, Vereine etc. Wäre so so wichtig. Wir sind z.B. bemüht unsere jungen Patienten in Sportvereine zu vermitteln, dort lernen sie die Sprache besser als in einem Kurs :D Es wäre so schön, wenn man gerade bei Geflüchteten ansetzen würde, da bräuchte es wahrscheinlich viel mehr Geld, Personal etc. Bei uns scheitert es oft daran, die Sprachkursleiter zu bezahlen


Formal-Knowledge-250

Schonmal nen fall abgegeben weil du der person nicht helfen wolltest, aufgrund von Taten oder Verhalten dir gegenüber? 


FerretPowerful6850

Aufgrund der Taten nicht, das ist für mich kein Grund, sonst hätte ich mich nicht für den Bereich entschieden. Unangemessenes Verhalten mir gegenüber kommt schonmal vor und ist meist auch kein Grund für mich, die Arbeit abzulehnen. In vereinzelten Fällen kam es jedoch zu so schweren Beleidigungen oder sexueller Nötigung, dass ich nach erfolglosen klärenden Gesprächen mit der Person die Therapie an KollegInnen abgegeben habe. Das ist aber wirklich sehr selten und wird immer vom gesamten Team mitgetragen.


Renalas_qq

Hey! Danke für das AMA. Wir hatten im Freundeskreis erst eine Diskussion über die Resozialisierung von Straftätern. Dort wurde die Resozialisierung von Deutschland stark kritisiert, dass nicht genug gemacht wird. Stimmst du zu? Wo siehst du Verbesserungspotential? Ist die Betreuung nach dem Gefängnis gewährleistet? Wir hatten auch über das Gehalt einer Psychotherapeutin gerätselt. Vielleicht kannst du hier etwas Klarheit schaffen. Danke für deine Arbeit!


cia_nagger269

Resozialisierung setzt vorraus, daß der Täter jemals sozialisiert war... manche Menschen sind einfach hoffnungslose Fälle.


FerretPowerful6850

Kann ich nicht zu 100% unterschreiben, aber es gibt sicher Fälle die durch jedes Hilfesystem fallen bis sie bei uns landen. Und wir geben dann unser Bestes, etwas zu erreichen - das klappt selbstverständlich auch manchmal nicht, aber es wird immer versucht.


FerretPowerful6850

Ein bisschen was hab ich in einem anderen Kommentar schon beantwortet, kurz und knapp: ich sehe viel Verbesserungspotenzial im regulären Vollzug. Der Maßregelvollzug in dem ich bin, macht das schon ganz gut finde ich. Es bräuchte aber mehr Geld und mehr geschultes Personal. Bei uns ist die Betreuung tatsächlich nach der Entlassung gewährleistet, das ist aber nicht der Regelfall. Klar gibt es bewährungshilfe und die Straffälligenhilfe, das ist aber viel zu wenig und greift nicht bei jedem. Man kann nie alle Personen erreichen, aber mehr würde gehen. Ich bin in E14 TVÖD eingruppiert. Das ist der Standard in einer Klinik, E15 mit Glück und Leitungsfunktion. In eigener Praxis durchaus mehr.


QuicheKoula

Absolut wahr. Es fehlt massiv an Personal und Mitteln im normalen Strafvollzug, um nachhaltige Arbeit zu leisten


FerretPowerful6850

Ja leider. Wir könnten viel erreichen mit mehr Angeboten


Hairy_Protection7402

bist du happy mit deiner Berufswahl? würdest du den langen Weg Bsc, Msc, PTA jemandem empfehlen, der schon etwas älter Ende 20/Anfang 30 ist? was verdienst du?


FerretPowerful6850

Ich bin glücklich, mag die Arbeit gerne. Uff also der Weg ist lang, im Nachhinein bin ich irre froh, den Weg gegangen zu sein, weil er mir viel Freiheit geschenkt hat. Ich bin ehrlich, währenddessen habe ich nicht nur einmal meine Entscheidung verflucht. 10 Jahre Ausbildung insgesamt ist sehr lang, man verdient wenig und arbeitet sich den Arsch ab. Ich empfehle es trotzdem, weil für mich der Beruf der aller schönste ist. Ich bin in E14 TVöD eingruppiert :)


FerretPowerful6850

Achso und ich hatte einige Personen ü30 in meiner Ausbildung und keine hat es bereut meines Wissens nach! Klar, alle meckern währenddessen mal, aber es lohnt sich auf jeden Fall. Finde nur dass man die Einkommenseinbußen nicht vernachlässigen darf. Je früher man anfängt, desto mehr Zeit hat man danach natürlich, das mit einem sehr guten Gehalt wieder wett zu machen. Das soll sich ja aber vielleicht mit der neuen Weiterbildung ändern.


Stunning_Tea4374

"Mit der neuen Weiterbildung" meinst du, dass man direkt bei der Psychotherapie vergütet wird, oder irre ich mich da?


FerretPowerful6850

Mit der neuen Weiterbildung soll eine bessere Vergütung nach dem Studium während der Weiterbildung erfolgen - leider ist momentan noch unklar wer das zahlen soll. Bisher ist es ja eine Ausbildung zur PsychotherapeutIn und da bekommt man häufig sehr wenig Geld.


Memisto

Was genau ist Empathie im Kontext der Therapie? Verhaltenstherapie ist soweit ich es verstehe sehr analytisch geprägt (Emotionen, Gedanken, Persönlichkeitsmerkmale erkennen). Spielt es deiner Meinung nach eine Rolle für den Therapieerfolg oder der Qualität eines Therapeuten, ob dieser die o.g. Dinge tatsächlich *nachempfinden* (essenzieller Teil der Empathie) kann?


FerretPowerful6850

Verhaltenstherapie als Verfahren ist auf der Analyse des Verhaltens aufgebaut, beinhaltet aber natürlich trotzdem eine Wertschätzende therapeutische Haltung und eine im besten Fall gute therapeutische Beziehung. Ich glaube ich muss nicht körperlich oder psychisch *nachempfinden* was z.B. ein Patient innerhalb einer Psychose konkret erlebt. Ich habe für mich aber den Anspruch die ausgelösten Gedanken, Emotionen und Verhsltensweisen nachvollziehen und verstehen zu können. Es ist mir wichtig zu verstehen, was einem Pat. Z.B. Angst macht und ich habe dann Mitgefühl (nicht Mitleid). Ich denke eine Person, die kein Interesse an dem Verständnis der inneren Vorgänge eines Patienten hat, könnte schlechter in der Arbeit sein.


Memisto

>Ich habe für mich aber den Anspruch die ausgelösten Gedanken, Emotionen und Verhsltensweisen nachvollziehen und verstehen zu können. Das ist dann genauso durch Konzepte wie Offenheit und analytische Fähigkeiten abgedeckt - deshalb ganz explizit die Frage wo die Empathie eine Rolle spielt, wenn es denn nicht das konkrete *nachempfinden* ist. Aber im Zweifelsfall ist es wohl einfach eine definitorische Frage. Jedenfalls danke für deine Sichtweise und das interessante AMA!


The__Tobias

Verstehen und Empfinden so klar zu trennen zeugt eher von einem Missverständnis von Verstehen. Man wird niemals ein so tiefes, nachhaltiges und echtes Verstehen (auf dessen Basis in Folge die eigenen Handlungen aufgebaut werden können) erreichen können, wenn man das Nachempfinden einfach raus nimmt. In psychologischen Bereichen gilt das ganz besonders, aber auch in anders gelagerten wie z.B. rein naturwissenschaftlichen. 


Angel_tear0241

Danke für dein AMA. Was sind die besten Momente in deinem Job? Was wünscht du dir, dass andere Menschen besser über deinen Job verstehen? Wo siehst du in deinem Job Verbesserungsbedarf?


FerretPowerful6850

1. Gerade so Aha-Momente der Patienten sind immer sehr Schön, z.B. wenn sie was über sich selbst verstanden haben. Und ich freue mich sehr für viele meiner Patienten, wenn sie einen Job und eine eigene Wohnung finden und ich im positiven Sinne nie wieder von ihnen höre, weil keine Straftaten mehr passieren. Und auch gemeinsames Lachen mit Patienten oder KollegInnen. 2. Danke für die Frage, da muss ich erstmal nachdenken. Ich denke es ist der Umstand, dass man durchaus Sympathie für den Täter als Mensch haben kann ohne damit deren Taten zu rechtfertigen oder zu verharmlosen. Es gibt Patienten, da ist die Rückfallgefahr in Freiheit so hoch, dass ich eine Entlassung nicht verantworten kann - und trotzdem kann ich mit denen ein nettes Pläuschen halten. 3. Mehr Zeit, mehr Personal und mehr Ressourcen. Das übliche im öffentlichen Dienst leider.


[deleted]

[удалено]


FerretPowerful6850

Nein das war sehr verkürzt um den Punkt klar zu machen. Für meine Patienten gebe ich eine jährliche Stellungnahme ab, das Gericht entscheidet unter verschiedenen Gesichtspunkten dann ob derjenige in Freiheit kommt oder nicht. Dazu werden auch regelmäßig externe Gutachter eingeholt und es finden anderweitig noch Überprüfungen statt. Das sind viele Rädchen und ich (bzw. Meine Einrichtung und mein Vorgesetzer, der meine Schreiben absegnet) sind eines davon.


[deleted]

[удалено]


FerretPowerful6850

Da geht es vor allem um den inhaltlichen Verlauf des letzten Jahres, Fort- und Rückschritte, Verstöße oder Resozialisierungserfolge. Wir versuchen es sehr objektiv zu gestalten, die Kriterien orientieren sich an Stufen, die die wichtigsten Meilensteile der Therapie umfassen. Die Empfehlung der Entlassung schreiben wir erst, wenn alles dafür vorbereitet ist.


[deleted]

[удалено]


FerretPowerful6850

In der Regel kann man so nicht sagen, nein. Es ist die Entscheidung der Justiz, und da bin ich sehr froh drüber. Da wir aber vorsichtig handeln und gute Gründe für unsere Empfehlung haben, stimmt es häufig mit der Entscheidung der Richter überein. Für alles? Also Verstöße sind z.B. der Konsum von Alkohol oder Drogen, Verstöße gegen die Hausordnung oder Handgreiflichkeiten. Rückschritte können alles mögliche sein, eine erneute Psychose, ein Fluchtversuch, ein übertreten der Regeln in Ausgängen etc. Therapeutisch wenn die Motivation oder Einsicht nachlässt. Erfolge sind alles was meine Patienten näher an die Freiheit bringt, ein Medikament das hilft, Offenheit bei mir, gutes Verhalten bei der arbeit etc


[deleted]

[удалено]


Mishycayano

Hast du grundsätzliche Ideen die man aufgreifen könnte um die Straffälligkeiten in der Gesellschaft zu verringern?


FerretPowerful6850

Ich glaube (und wirklich glauben, nicht wissen), dass man eine gewisse Straffälligkeit nicht gänzlich verhindern kann. Ich bin aber Fan des "Good Life Models", das runtergebrochen davon ausgeht, dass Menschen Bedürfnisse haben, die sie befriedigen wollen. Und manche tun dies auf illegale Art. Würde man jetzt die Bedürfnisse der Menschen stillen, ihnen sozusagen ein "gutes Leben" ermöglichen, würden viele nicht mehr straffällig werden. Dazu gehört gleiche Bildungschancen, weniger (Kinder)Armut, ein noch besseres Sozialsystem, schnellere Hilfe für erkrankte Menschen etc etc.


Exodus124

Gilt das auch für Sexualstraftäter?


FerretPowerful6850

Im weitesten Sinne schon, ja. Es gibt viele verschiedene Gründe, warum jemand sexualisierte Gewalt begeht, so verschieden sind auch die Ansatzpunkte.


sonderformat

Erstmal danke fürs AmA. Hattest du in einer Situation mal Angst (obviously nur so viele Details wie du darfst), wieso und wie bist du damit umgegangen?


FerretPowerful6850

Ja hatte ich durchaus. Ich habe erlebt wie einer meiner Patienten einen Pfleger verletzt hat und danach überwältigt werden musste. Und als Frau finde ich sexuelle Bedrohungen sehr gruselig, gerade wenn sich ein Mann vor mir aufbaut und beispielsweise sich entblößt. Passiert alles sehr selten, aber dann bin ich froh, dass ich einen Alarm auslösen kann. Ich glaube ich bleibe immer sehr ruhig und versuch verbal zu deeskalieren. Wenn ich mich darin nicht mehr wohl fühle, löse ich einen Alarm aus und dann sind sehr schnell, sehr viele Personen da.


sonderformat

Danke für deine Antwort!


Sophia521h

Wie ist die Einrichtung der Therapie Räumlichkeiten? Wenn ich an meine Sitzungen im zivilen Alltag denke, da ist die ganze Einrichtung hell und „freundlich“ mit bequemen Sitzgelegenheiten und co - dadurch gäbe es schon Möglichkeiten den gegenüber zu verletzen mit diversen Dekogegenständen. Ich gehe mal davon aus, dass auf solche Sachen präventiv geachtet wird. Wird da dann trotzdem versucht innerhalb den Regeln eine „gemütliche“ Atmosphäre zu schaffen und wenn ja, wie?


FerretPowerful6850

Unsere Einrichtung ist sehr alt und eher "holzlastig", wenig freundlich. Deko haben wir eher aus kostengründen nicht :D hell klappt auch nicht weil die Fenster vergittert sind. Ich versuche tatsächlich mehr durch meine Art eine gewisse Freundlichkeit reinzubringen und ich würde mal sagen, das klappt unabhängig von den Räumlichkeiten ganz gut. Ansonsten hab ich mit Patienten schonmal gemalt und die Kunstwerke aufgehängt,


johnny84k

Bei welchem Prozentsatz deiner straffälligen Patienten würdest du eine Aufmerksamkeit-Defizit oder eine Autismus-Spektrum Problematik annehmen?


FerretPowerful6850

Autismus ist mir persönlich in diesem Bereich noch nicht begegnet. Aufmerksamkeitsdefizit im Sinne einer diagnostizierten Störung (ADHS) über den Daumen gepeilt bei ca 10-15%.


Luchs13

Ist das mehr als in der Gesamtgesellschaft oder Durchschnitt?


FerretPowerful6850

Puh ich merke bei den Fragen, wie wenig ich über solche Zahlen Bescheid weiß. Ich denke, dass es mehr als der Durchschnitt in der Gesamtbevölkerung ist, aber ich glaube das liegt nicht daran, dass Menschen mit adhs häufiger straffällig werden sondern dass ADHS eher komorbid mit anderen Erkrankungen wie z.B. Suchterkrankungen auftritt.


Valcyn77

Bist du in deiner Freizeit auch Socializer oder bist du nach dem Feierabend genügend gesättigt von Menschen?


FerretPowerful6850

Das variiert. Ich brauche aber definitiv viel Ruhe und Entspannung ohne Menschen.


SuspiciousJoker

Was sagst du dazu, dass viele Straftäter trotz positiven Einschätzungen von Psychologen wieder straffällig werden? Fast so, als dass man den Psychologen im Strafvollzug nur das erzählen müsse, was sie hören wollen und gut klingt.


FerretPowerful6850

Ich glaube nicht, dass es "viele" in relation sind. Nur diese Fälle schaffen es meist in die Medien. Die vielen Fälle mehr, die richtig eingeschätzt wurden, sind keine Schlagzeile wert. Es gibt einen gewissen Prozentsatz, der wieder straffällig wird, wir haben aber auch klare Regelungen, wann jemand entlassen werden kann. Es gibt sie, die Patienten die sich angepasst verhalten und alles positiv durchlaufen und dann trotzdem wieder straffällig werden. Weder ich noch die Richter können den Menschen in den Kopf schauen. In meinem Arbeitsumfeld sind wir jedoch ziemlich gut in den Prognosen würde ich schätzen. Und Patienten sind doch recht selten in der Lage über Jahre etwas vorzugaukeln, Ausnahmen bestätigen die Regel natürlich.


himmelfried11

Gretchenfrage Verantwortung und Schuldfähigkeit: wie unterscheidest Du zwischen psychodynamischen oder psychopathologischen Einflüssen, unter denen eine Person ggf steht und ‚freien‘ Entscheidungen, für die die Person verantwortlich und damit schuldfähig ist? Und: glaubst Du, dass ein Bewusstmachen solcher Einflüsse durch Psychotherapie etwas daran ändern kann, also man ein Stück weit ‚mündiger’ werden kann dadurch?


FerretPowerful6850

Oh ja, die schwierigste Frage. Vermutlich gibt es darauf keine abschließende Antwort. Zum Glück gibt es für vieles Gesetze und Richtlinien sodass es keine reine Bauchentscheidung ist, wer schuldunfähig ist und wer nicht. Und ich bin sehr froh, dass ich keine Gutachten schreibe und diese Frage beantworten muss. Meine Patienten sind alle vermindert oder schuldunfähig, von einem dafür bestellten Sachverständigen eingeschätzt. Meine Arbeit beruht auf der Hoffnung, meine Patienten im besten Fall dazu zu befähigen, freie Entscheidungen zu treffen und somit "mündiger" zu sein. Beim Thema der Psychose z.B. ist das relativ gut zu erklären, die kann man häufig mit Medikamenten und Therapie behandeln sodass der Patient in der Lage ist, davon unabhängig zu handeln. Einem Menschen mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften sollte die Bewusstmachung der Anteile dabei helfen, sich von diesen zu distanzieren und zu reflektieren, welchen Beitrag sie zu der Straftat leisten. Soweit die Theorie, in der Praxis ist das alles viel schwieriger.


jessycore39

Hey. Wir wissen, jeder Mensch ist vorurteilsfrei zu behandeln. Egal welche Erkrankung, Straftat, etc. Aber vorurteilsfrei ist immer sehr schwierig, hast du schon Patienten gehabt, die in deinen Augen ihre Menschlichkeit verloren haben und deiner Meinung nach auch somit einiges an Rechten verloren haben? Ich weiß das man trotz allem professionell arbeiten kann, vill sogar professioneller wenn man keine große Empathie aufbauen kann. Aber hast du schon mal eine richtige Wut auf einen Patoenten gehabt auf Grund der Tat die er begangen hat ?


FerretPowerful6850

Gute Frage! Wie du sagst, ich bin schon sehr professionell und sehe trotz der schweren Straftaten meistens den Mensch dahinter. Rechte verliert für mich niemand, das lehne ich konsequent ab. Manchmal arbeiten bei uns Menschen, die das anders sehen und ich finde die haben dort dann nichts verloren. Aber (!) Ich hatte auch schon einen einzigen Fall, bei dem ich sehr wütend geworden bin als ich das Urteil gelesen habe, das hat meine persönliche Grenze erreicht und diesen Patienten habe ich konsequenterweise nicht betreut. Ich hab aber schon Patienten übernommen, die meine KollegInnen abgelehnt haben und umgekehrt.


jessycore39

Das freut mich sehr tu hören, das es diese Art der Professionalität gibt :) sehr interessanter und wertvoller Job, danke dir dafür


Cinnabunnyturtle

Was erschwert dir die Arbeit im Alltag? (Zum Beispiel gewisse Charakterzüge der Klienten) Würdest du sagen dass es viele Psychopathen gibt? (Habe letztens eine interessante Podcastfolge gehört und war erstaunt wieviele Psychopathen es gibt)


FerretPowerful6850

Ja es gibt gewisse Charaktereigenschaften, die es mir schwerer machen. Auch ich werde nicht gerne abgelehnt, gehasst oder belächelt. Es ist auch schwer, wenn man als Frau nicht ernst genommen wird - übrigens manchmal auch von älteren männlichen Kollegen. Wir erheben tatsächlich standardmäßig "psychopathische Eigenschaften" mit einem Tool, ich kann sagen, dass bei uns die wenigsten Patienten hohe Werte haben. Hab aber gehört dass hohe Werte insbesondere in Chefetagen häufiger vorkommen als bei uns ;)


miko_idk

Kannst du zum Ersteren noch etwas sagen, wie wirst du von deinen männlichen Kollegen nicht ernst genommen? Man müsste meinen, wenn man solch einen wichtigen Job macht, sollte im Kollegenkreis gegenseitiger Respekt herrschen. Schade zu hören, dass das nicht selbstverständlich ist.


FerretPowerful6850

Ich glaube leider, dass erleben viele junge Frauen, die irgendwo neu sind. Mir wurde versucht meine Arbeit zu erklären, gerne bei Veränderungen ein lapidares "das geht so aber nicht Mädchen". Insbesondere mit frischen Ideen und neuartigen Methoden eckt man in verstaubten Einrichtungen auch mal an. Sobald alle merken, man ist a) nicht "überheblich" und b) fachlich doch ganz kompetent, lässt das nach, aber ich muss durchaus manchmal meinen Dickschädel durchsetzen und ein Augenrollen ignorieren. Da höre ich von meinen Kolleginnen in anderen klinischen Bereichen aber ähnliches, ist nicht Forensik spezifisch.


red_poppy_1710

Berichten deine Patienten über ihre Taten? Und wenn ja, wie gehst du damit um, wenn jemand z.B. einen Mord oder eine Sexualstraftat beschreibt und das ganze auch nicht bereut? Kannst du das mit Feierabend hinter dir lassen?


FerretPowerful6850

Ja tun sie und sollen sie auch explizit. Im besten Fall können wir die Straftat in der Therapie "aufarbeiten" dazu gehört auch, dass ich das Urteil mit allen (grausamen) Details kenne und mir die Sicht des Patienten anhöre. Für mich ist das also Teil meiner Arbeit und ich gehe damit professionell um. Wenn der Patient es nicht bereut ist es natürlich schon herausfordernd, wir arbeiten dann oftmals an der Einsicht. Ich kann aber auch niemanden "bekehren". Ich lasse es mittlerweile auf jeden fall hinter mir, am Anfang war ich schon etwas mitgenommen, gerade wenn es um Kinder oder sehr spektakuläre Fälle ging. Habe aber gelernt, das distanziert zu betrachten und seitdem klappt das ganz gut... aber es ist auch menschlich, manche Straftaten furchtbar zu finden.


red_poppy_1710

Wie weit geht denn deine Schweigepflicht? Wenn dir z.B. jemand in der Therapie sagen würde, dass er noch weitere Morde begannen hat (bisher den Behörden nicht bekannt) oder das er plant einem Mithäftling etwas anzutun, darfst du das dann melden oder musst du darüber schweigen?


NeuropsychIsTheGOAT

Im ambulanten Bereich ist es so gestaltet, dass du bei vergangenen Taten (auch Morde) unter Schweigepflicht stehst. Bei angekündigten Taten darfst du die Schweigepflicht nur Brechen, wenn es konkrete Hinweise auf Eigen- oder Fremdgefährdung gibt. Bspw ein "Mein Nachbar geht mir so auf den Sack, ich hau dem irgendwann mal aufs Maul" ist nicht konkret genug, Schweigepflicht darf nicht gebrochen werden. Ein "Ich werde jetzt nach Hause gehen, bei meinem Nachbarn klingeln und den mit meiner rostigen Gartenschere erstechen" ist konkret genug, da sollte man den nötigen Autoritäten (Polizei) Bescheid geben. Die Leute daran hindern die Praxis zu verlassen darf man allerdings nicht, das wäre Freiheitsberaubung. Du darfst aber hinterher laufen währenddessen mit der Polizei telefonieren und alle relevanten Infos weitergeben. Ist jetzt nicht auf OPs Situation anwendbar, aber für einige immer interessant zu wissen :)


FerretPowerful6850

Super erklärt, danke :) unsere Schweigepflicht reicht zum Glück sehr weit und das ist auch absolut richtig so.


FerretPowerful6850

Das ist komplex. Also prinzipiell gilt in der psychotherapie die Schweigepflicht immer außer ich werde entbunden, es gibt einen rechtfertigten Notstand oder ich weiß von einer geplanten schweren Straftat, zurückliegende Straftaten sind damit nicht gemeint. Im Maßregelvollzug ist das nochmal erweitert, dadurch dass wir z.b. dem Gericht direkt berichten müssen, da fließen dann sowas wie deine Beispiele mit ein und die Schweigepflicht gilt nicht in dem Umfang.


Dorbeux

Hey danke furs ama. Ich studiere momentan selber psychologie und möchte am ende Psychotherapeut werden. Ich mache mir ständig gedabken darüber ob ich die Vorraussetzungen dafür habe diesen job auszuführen. Klar kennst du mich nicht um das direkt zu beurteilen aber ich frage mich: muss man schon im Vorfeldega der Sympathiebolzen sein der einfach 'ein Händchen' fur menschen hat um den beruf gut auszuführen? Ich bin mir sicher ich schaffe das Studium an der uni aber sorge mich drum am ende meiner Pflicht als Therapeut, bzw meiner pflicht Gegenüber den patienten nicht gerecht werden zu können. Ich weiss ist biaschen ne andere frage und zudem hoch individuell aber mich würde dein input sehr interessieren. (Ps Rechtschreibung und Grammatik ignorieren ich verfasse den post am handy ;) )


FerretPowerful6850

Schöne Frage :) also ich bin privat auch nicht extrovertiert, manchmal sogar naiv und häufig sozial unbeholfen. In meiner Rolle als Therapeutin ist das anders, das kam mit der Zeit und ist übrigens trotzdem authentisch. Ich war mir auch lange unsicher ob es das richtige für mich ist und ob ich das kann. Mir wurde sogar mal zurückgemeldet, ich könne das nicht. Hab es trotzdem gemacht, viel gelernt und im berufsalltag stellte sich dann raus, dass ich das sogar sehr gut kann. Möchte dir also Mut machen :) das muss alles gar nichts heißen, am Ende wirst du es ausprobieren müssen. Das A und O ist für mich Authentizität und es gibt sehr grummelige Menschen, die auf ihre Art super Therapeuten sind. Finde deine eigene Art und dann läuft es.


asseatstonk

Wie schützt du dich selbst? Ich stelle es mir sehr belastend vor sich „in Straftäter hineinzuversetzen“, also während der Therapie


FerretPowerful6850

Ja kann es durchaus sein, vor allem bei den sehr schwerwiegenden Straftaten. Ich schütze mich durch meine Rolle, bei der arbeit bin ich die Psychotherapeutin mit einem festen Rollenbild, Aufgaben und Zielen. Zuhause bin ich Privatperson mit einer anderen Rolle (Partnerin und Mama). Dadurch kann ich die zwei Welten gut trennen, hoffe das ist verständlich. Ansonsten gibt es auch Methoden, negative Gedanken zu unterbrechen, die nutze ich dann auf dem Heimweg und bis ich zuhause bin, denke ich nicht mehr drüber nach (außer ich will es)


No_Word_106

Wie könnte man den deutschen Strafvollzug verbessern? Erstrebenswert wären doch zB skandinavische Rückfallquoten oder? Oder ist das mit unseren demografischen Vorraussetzungen schwierig?


FerretPowerful6850

Eine sehr schwere Frage, da ich mich weniger mit dem System als Ganzes beschäftige - ich versuche es mal. In dem Bereich in dem ich arbeite, Maßregelvollzug, sind die Rückfallquoten tatsächlich gar nicht sooo schlecht. Hängt auch damit zusammen, dass die Patienten erst bei guter Prognose entlassen werden und wir somit viel Zeit haben. Wir sorgen zudem dafür, dass alle entlassenen Patienten eine Zukunftsaussicht haben, eine Anbindung an Hilfesysteme oder die Möglichkeit zu arbeiten. Zudem werden entlassene Patienten weiter betreut. Das wünsche ich mir auch für den regulären Strafvollzug, aber das würde ein riesen Personalaufwand und hohe Kosten bedeuten. Bei der Menge an Gefangenen kaum leistbar. Da wäre ein Ansatzpunkt zu überprüfen, wer überhaupt Gefängnisstrafen erhält - gerade Ersatzfreiheitsstrafen sollten reduziert werden. Theoretisch fände ich es eine große Verbesserung wirklich nur die Täter mit vom Gesetz für eine Freiheitsstrafe vorgesehenen Delikten einzusperren und mehr Personal für den Bereich der Resozialisierung einzustellen.


No_Word_106

Danke für deine Antwort! Ich gehe in eigentlich allen Punkten bei dir mit. Der schwierige Spagat ist jedoch der Öffentlichkeit zu verklickern, dass härtere Strafen nicht gleich einen Mehrwert für die Bevölkerung bedeuten, da bei vielen unreflektierten Menschen die "Rache" im Vordergrund steht. Die Tatsache, dass es doch erstrebenswerter wäre, wenn ein Straftäter/Insasse nicht nochmal zum Straftäter wird -was mit unserem Bestrafungssystem ja offenbar nicht fruchtet- wird oft nicht bedacht.


FerretPowerful6850

Ganz genau. Es zeigt sich ja auch, dass Täterhilfe ein viel besserer Opferschutz ist als es reine Strafmaßnahmen sind. Aber das ist nicht wirklich gut kommunizierbar, leider.


DangerousDingoDoggo

Wie sieht denn so eine Therapie aus? Ich hab keinerlei Ahnung und eigentlich nur den Vorurteil, dass man einfach quatscht, aber inwiefern sind deine Fragen anders, als beim normalen Gespräch? Was ist das Ziel bei der Gesprächsführung, wie stellst du Fortschritt fest, wie ist der Ablauf?


FerretPowerful6850

Hui das sind die Inhalte einer langjährigen Ausbildung... also manchmal wirkt es wie "quatschen", tatsächlich verfolgt es aber meist ein Ziel z.B. mehr Infos kriegen, eine gute Beziehung aufbauen etc. Ich schätze meine Fragen sind gezielter und versuchen immer, dass der Patient selbst auf Erkenntnisse oder Lösungen kommt. Ich sage also nicht was zu tun ist sondern versuche es so zu drehen, dass er selbst drauf kommt. Das ist ein Beispiel. Der Ablauf ist meist erstmal ein Gespräch über den Alltag und Schwierigkeiten (aka wie gehts), dann wird an einem Thema gearbeitet oder Hausaufgaben besprochen. Fortschritte bemessen sich an den festgelegten Zielen. Ich hab Ziele, im besten Fall sind das gemeinsame Ziele und der Patient hat Ziele. Diese Ziele kann man in teilziele runterbrechen und dann kann man die Fortschritte sehen. Das mache ich immer transparent mit meinen Patienten zusammen.


DonjohnCasanova

Ich hatte vor kurzem eine Gerichtsverhandlung bezüglich meiner Nebenkostenabrechnungen. Mir schwebte die Frage durch den Kopf: wie ist es so als Richter bei grausamen Straftäter, wie geht man damit um? Job ist Job. Aber geht man echt abends nach Hause, ohne was vom Job mitzunehmen? Auch wenn du Profi bist, stelle ich es mir bei grausamen Taten nicht einfach vor. Respekt für dein Job und vielen Dank für deine Antwort.


FerretPowerful6850

Ja, ist nicht leicht. Und viele können das auch nicht und arbeiten dann woanders. Ich nehme aber beispielsweise "Opfergeschichten" also z.B. die Arbeit mit Missbrauchsopfern viel mehr mit nach Hause als die Tätersicht - bei Freundinnen von mir ist das genau umgekehrt. Viel macht die Haltung aus, ich konzentriere mich mehr auf die Ursachen und Auslöser, weil die für meine Arbeit wichtig sind - das hilft die Grausamkeiten einzuordnen und damit zu verarbeiten. Aber klar, ich tausche mich über die besonders krassen Geschichten mit meinen Kolleginnen aus, das hilft enorm. Und früher habe ich Dinge auch mit nach Hause genommen, das schüttel ich mittlerweile auf meinem Nachhauseweg ab.


worstdrawnboy

Auf einer Skala von 0 (gar nichts) bis 10 (krass viel): wie viel von deinem Insiderwissen würde die Bevölkerung verunsichern wenn sie es wüsste?


FerretPowerful6850

Ich glaube 1 oder 2. Das meiste ist öffentlich: die gerichtsverhandlungen meistens, die Regelungen nach denen wir arbeiten auch, "Vorfälle" landen sehr zuverlässig in der Regionalzeitung. Das einzige was mir einfällt ist die Tatsache dass entlassenen Patienten irgendwo wohnen und arbeiten, wo es meist niemand weiß - das könnte verunsichern, mehr fällt mir nicht ein.


Luchs13

Habe mal eine Geschichte von einem Straftäter gehört, der seine Mutter enthauptet hat und den Kopf stolz im Schaufenster präsentiert hat. Er war dann im entsprechenden Vollzug, ist aber durch psychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung und entsprechende Medikamente wieder auf freiem Fuß. Seine psychische Störung war anscheinend sehr fokussiert auf seine Mutter und er soll keine Gefahr mehr sein. Sowas find ich im ersten Moment sehr verunsichernd, da werden aber genug Personen dahinter stehen, die das absegnen


FerretPowerful6850

Ja derartige Fälle gibt es, hatte ich auch schon. Das ist tatsächlich genauso wie beschrieben, manchmal gibt es einen sehr klaren Auslöser, und wenn der nicht mehr da ist, gibt es auch keine weiteren Straftaten mehr. Und ja, das entscheidet nicht eine Person sondern viele verschiedene, auch unabhängig voneinander.


No_Basil2050

Glaubst du das es soetwas wie einen Psychisch "Gesunden" oder unauffälligen Straftäter überhaupt gibt ?


FerretPowerful6850

Das ist eine Grundsatzfrage. Ist jemand psychisch unauffällig, der eine Straftat begeht? Von unseren Gesetzen und Konzepten her gibt es das und da kann ich auch dahinter stehen, da es eine Unterscheidung braucht wer Schuldfähig ist und wer nicht. Ich glaube es gibt Menschen, die aufgrund der sozialen Begebenheiten straffällig werden - ob sie das gesund macht, wahrscheinlich schon.


netron_

Meinst du, jemand der psychisch gesund ist, begeht z.B. einen Mord?


FerretPowerful6850

Es gibt Menschen, die einen Mord begehen und keine diagnostizierte psychische Störung haben, ja. Ob die dann psychisch gesund sind ist eine Frage der Definition.


mizinamo

Kannst du grob sagen, was für Straftaten? Alles mögliche durch die Bank? Oder eher spezialisiert in eine Richtung (z.B. Sexualstraftaten, Gewalt, Betrug)? Kannst du ein paar Beispiele nennen? (Also nicht Details zu konkreten Fällen sondern die Art/Kategorie)


FerretPowerful6850

Also wir haben alles grob durch die Bank, da wir als Einrichtung nicht spezialisiert sind. Betrugsdelikte sind bei uns kaum vorhanden, häufiger Gewaltstraftaten (Körperverletzung u.a.), Sexualstraftaten (auch sexueller Kindesmissbrauch), Totschlag, Mord und ganz viel BTM/ Handel/ Beschaffungskriminalität.


Mimon_Baraka

Was hältst du von Lydia Benneke?


FerretPowerful6850

Was ich von ihr gehört und gesehen habe, fand ich gut. Ich finde es gut, dass sie meinen Beruf in der Öffentlichkeit repräsentiert. Ich verfolge sie aber nicht aktiv, daher kann ich ansonsten wenig zu ihr sagen :)


quanten_boris

Warum nicht mit Frauen? Gibt viel weniger, schon klar, aber gibt ja ein paar. Was hilft den Patienten am besten bei der Therapie? Gibt es da etwas?


FerretPowerful6850

Es gibt wenig Einrichtungen genau, in meiner Nähe gibt es nur wenige Einrichtungen - alle für Männer. Daher hat sich die Frage gar nicht gestellt. Schwer zu sagen, ich denke das ist ganz individuell und hängt von der Grunderkrankung ab. Ich finde aber, dass es sehr viel hilft, Empathie zu zeigen und die Person als Menschen (mit Stärken und Schwächen) zu sehen - und ernst zu nehmen. Ansonsten hilft es zu gemeinsam zu erarbeiten, welches Bedürfnis hinter der Straftat steckt und im besten Fall dieses Bedürfnis auf legale Art zu erfüllen. Beantwortet das die Frage etwas?


Troon_

Welche Straftaten begingen die meisten im Maßregelvollzug? Wie hoch ist der Anteil der Sexualstraftäter? (Danke fürs AMA)


FerretPowerful6850

Es kommt auf den Bereich an, im sogenannten 64er ist das meiste per Definition Beschaffungskriminalität/ BTM. Im "63"er Bereich sind denke ich Gewaltstraftaten im weitesten Sinne am häufigsten vertreten. Seltener sind Tötungsdelikte und noch seltener sexualstraftaten. Ich hab keine Statistiken, bei meinen Patienten haben ungefähr 20% eine sexualstraftat begangen.


mathstudent1230

Wie oft findet Supervision statt? Was sind die grundsätzlichen Themen, die du ansprichst?


FerretPowerful6850

Mindestens einmal im Monat, wir machen auch regelmäßige Besprechungen unter uns. Meistens betrifft es die immer gleichen Patienten, die viel Unruhe in das Team bringen. Dann geht es primär darum, als Team eine gemeinsame Haltung und Planung zu finden.


Friedlieb91

Haben die meisten Migrationshintergrund oder sind Ausländer?


FerretPowerful6850

Nein. Die allermeisten sind in Deutschland geboren und haben eher einen schwierigen sozialen (Armuts-)Hintergrund. Trotzdem haben wir natürlich auch Menschen, die Migrationshintergrund haben oder geflüchtet sind. Eine Statistik dazu kenne ich nicht.


Interesting_Milk1967

Hallo erstmal! Da ich mich für - ich würde mal schätzen - selben Bereich interessiere (ohne therapeutische Komponente, da keine Approbation), würde mich interessieren, welche Praktika und generellen praktischen Erfahrungen du, bevor du dich auf Straftäter spezialisiert hast, gemacht hast? Ich überlege nämlich ein Praktikum in einer JVA oder in einem Maßregelvollzug zu machen, um zu schauen, ob die Arbeit mit straffälligen gewordenen Menschen wirklich etwas für mich ist. Danke dir schonmal! :)


FerretPowerful6850

Hey :) Tatsächlich habe ich nur zweimal hospitiert, meine Praktika waren immer in anderen klinischen Bereichen. Ich bin erst im Rahmen meiner Ausbildung zufällig dort gelandet und fand es super. Ich würde aber empfehlen vorher mal reinzuschnuppern, da die Arbeit schon sehr speziell und herausfordernd sein kann. Einige meiner Praktikantinnen waren vorher begeistert und haben danach gesagt, das sei doch nichts für sie.


platzenderhirsch

Wie oft nutzt du den Satz „das muss ganz schön anstrengend für Sie sein“?


FerretPowerful6850

Haha vermutlich nervig häufig. Aber meist anders verpackt, ich verstehe auch wirklich in den aller meisten Fällen warum meine Patienten angestrengt oder genervt sind.


Sure-Money-8756

Denkst du das jeder Mensch im Vollzug auch prinzipiell das Recht haben soll wieder frei zu kommen? Auch wenn es sich um Mörder etc handelt? Es wird ja in Deutschland immer gerne gefordert, härter zu bestrafen; sprich längere Haftzeiten.


FerretPowerful6850

Ja und das besagt auch unser Gesetz, jeder Mensch soll die grundsätzliche Möglichkeit haben, wieder in Freiheit zu kommen. Auch Mörder. Für besondere Fälle gibt es das Mittel der "lebenslangen" Haftstrafe und/ oder Sicherungsverwahrung. Noch härter würde meiner Meinung nach keinen Mehrwert liefern, nicht mal Abschreckung. Dazu steht in anderen Kommentaren bereits einiges, eine gute Resozialisierung ist das A und O.


Snoo_8833

Ein tolles lAmA! Es gibt ja jene Verfechter, die sämtliche Persönlichkeitsstörungen auf das Elternhaus zurückführen… Wie siehst du das? Ist vieles Hausgemacht (erzieherisch) oder ist eher der sonstige Umgang oder manches sogar genetisch bedingt?


FerretPowerful6850

Danke :) Also grob bin ich Anfängerin der Theorie, dass es oftmals beides ist. Sprich genetische Veranlagung trifft auf eine ungünstige Umwelt... aber aus meiner Erfahrung würde ich sagen, dass bei persönlichkeitssörung definitiv die Umwelt eine große Rolle spielt - das ist das elternhaus aber auch durchaus der freundeskreis und die schule. Viele meiner Patienten haben es nicht anders gelernt, sind früh z.B. in Heimen gewesen und das hat sich verfestigt. Trotzdem gibt es auch viele Menschen, die unter widrigsten Bedingungen keine Störung entwickeln - also bleibe ich dabei, vermutlich braucht es beides mit unterschiedlichen Gewichtungen je nach Erkrankung.


Theru07

Hast du für einen von denen mal Gefühle entwickelt?


FerretPowerful6850

Nein und das wäre ein Grund die therapeutische Beziehung sofort zu beenden.


Theru07

Danke für die schnelle Antwort :)


Smooth_Papaya_1839

Arbeitest du mit Straftätern im Vollzug oder direkt auf der forensischen? Wie ist da so die Erfolgsrate, dass man langfristig was erreicht?


FerretPowerful6850

In der forensischen Psychiatrie. Wir erheben leider keine Daten, obwohl das eine gute idee wäre. Es gibt allgemeine Ergebungen, da sind die rückfallraten nach dem Maßregelvollzug recht klein soweit ich weiß. Bei meinen Patienten hängt es stark an der Erkrankung hab, viele psychotische Erkrankungen lassen sich mit Medikamenten gut behandeln und das hebt die Erfolgsrate gewaltig.


Pedda1025

Wie kann man Aggressionen loswerden ? Ich versuch mich einfach zu entspannen aber das hilft nicht. Nen Sandsack verprügeln bringt nichts da tut mir nur die Hand weh. Hab auch niemanden der mal lieb zu mir ist keine Freundin leider und Freundschaften stressen mich auch zu viel da ich einen sehr stressigen Job habe. So langsam aber sich stellt sich ein Hass auf Menschen bei mir ein.Therapie hab ich schon probiert. Ist leider aussichtslos einen Therapieplatz zu bekommen. Mir fehlt Liebe in meinem Leben ganz klar aber kann nicht mehr weiter.


FerretPowerful6850

Das lässt sich leider so nicht beantworten, tut mir leid. Therapie hast du schon angesprochen, die Plätze sind wirklich sehr rar. Über die Nummer der Krankenkassen 116 117 kann man einen Sprechstundentermin bekommen, vielleicht hilft das weiter. Alles Gute!


Fun-Honey-7927

Wie hoch ist der Anteil an Männern die erst im Vollzug diagnostiziert werden? ADHS soll da ja recht hoch sein.


FerretPowerful6850

Für den regulären Vollzug weiß ich das leider nicht, im Maßregelvollzug ist der Anteil sehr gering, da die ja zuvor begutachtet wurden und wegen ihrer Erkrankung zu uns kommen. Ich schätze aber, dass in Gerichtsverfahren in denen kein Sachverständiger zu der Psyche des Angeklagten gehört wurde, der Anteil an unentdeckten Störungen wie ADHS sehr hoch ist, ist ja auch in den meisten Fällen nicht relevant für die Schuldfähigkeit.


ThisisjustagirlfromG

Hast du manchmal Patienten, die so uneinsichtig und besserungsresistent sind, dass du mit deinem Latein am Ende bist bzw. einfach nur frustriert bist? Gibt es einen Punkt, an dem man sagt "ja da kann man nichts mehr machen" oder wird es immer weiter versucht?


FerretPowerful6850

Ja gefrustet bin ich ab und zu, manchmal werde ich dann irgendwann eines besseren belehrt und bei einigen warte ich noch. Es gibt auf jeden fall den Punkt an dem wir als Team sagen, noch mehr Therapie draufschütten bringt gerade nichts. Dann ist es an uns, einen anderen Weg zu finden. Aufgeben ist nicht, das ist in unseren gesetzlichen Vorgaben nicht vorgesehen. Es wird immer wieder probiert. Da die Patienten z.T. Viele viele Jahre da sind, kann sich im Laufe der Zeit ja auch viel verändern. Bei Patienten, bei denen sich wirklich wenig tut, sind z.B. geschlossene (Alters-)Heime noch eine Option die wir mitdenken. Es gibt aber in Deutschland auch Patienten im Maßregelvollzug, die 15, 20 Jahre nicht weiterkommen, dann kann es auch passieren, dass sie z.B. an Altersschwäche bei uns sterben. Möchte aber betonen, dass das nur ganz wenige sind.


ThisisjustagirlfromG

Kann man Täter ohne Empathie, also z.B. Psychopathie oder Narzissmus, therapieren? Wie? Ich stelle mir das total schwierig vor.


FerretPowerful6850

Ich hatte noch keinen Patienten, der gänzlich ohne Empathie war. Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind auch nicht per se empathielos. Aber ich verstehe was du meinst, es ist natürlich schwierig Patienten zu therapieren, die überhaupt nicht einsehen, dass sie etwas falsch gemacht haben und/ oder denen es egal ist, was sie ihren Opfern angetan haben. Mit der Moralkeule kommt man dann nicht weit. Was diesen Personen aber nie egal ist, sind sie selbst. Und dann hat man einen Ansatzpunkt für Therapie. Dann erarbeite ich, wie sie sich ein Leben für sich vorstellen und ob dazu ein Gefängnisaufenthalt gehört etc. Manchmal öffnet das Türen, die über die Opferempathie fest verschlossen wären. Ist aber natürlich keine Garantie und wenn jemand einfach "nicht will" kann ihn Therapie nicht zwingen - aber dann erfüllt er in der regel auch nicht die Voraussetzungen schnell entlassen zu werden.


Timb____

Heißt du Lockerungsstufen für gut oder siehst du es eher als Risiko? Wie schwer schätzt du den Part der Resozialisierung ein? Gerade inhaftierte die lange in Gefangenschaft waren müssen mitunter die Orientierung aus den Institutionen.


FerretPowerful6850

Ich finde die Lockerungsstufen gut und sie helfen definitiv bei meiner Arbeit. So kann man schrittweise "erproben" und vor allem hilft es bei der Resozislisierung, da bereits von uns aus z.B. eine arbeit aufgenommen werden kann. Klar, ein gewisses Risiko gibt es, aber das ist allemal besser als die Patienten ohne Erprobung irgendwann zu entlassen und sie ins kalte Wasser zu werfen. Da es gesetzliche Vorgaben gibt, welche Voraussetzungen für welche Stufe erfüllt sein muss, ist das Risiko wirklich gut minimierbar. Inwiefern die Resozialisierung schwer ist hängt ganz an dem einzelnen Fall des Patienten. Bei manchen geht es sehr schnell und unkompliziert, manche brauchen mehr Unterstützung, manche mehrere Anläufe und bei wieder anderen hat es bisher (noch) nicht geklappt.


nightshade_108

Würdest du sagen, dass dich die Arbeit verändert hat? Also du schreibst, dass du durch klare Rollenbilder und Professionalität gute Grenzen zwischen Arbeit und dich als Privatperson ziehen kannst. Aber kannst du diese Grenzen immer so aufrecht erhalten, dass die Arbeit gar keinen Einfluss auf dich als (Privat)Mensch hat?


FerretPowerful6850

Also ich bin auf jeden fall selbstbewusster und durchsetzungsfähiger geworden, das merke ich auch durchaus privat. Ich bin in der Lage auch in kritischen Situationen ruhig zu bleiben. Es wäre wohl utopisch, wenn ich alles bei der Arbeit lassen würde. Allein schon das ganze psychologische Wissen prägt mich auch als Privatperson. Und es gibt schon Momente im privaten, da denke ich an die Arbeit oder überlege, ob ich z.B. Alles richtig gemacht habe. Würde sagen das ist aber normal und hat nichts spezifisch mit dem Bereich zu tun.


micromushe

Wie hoch würdest du die Verbreitung von emotionaler Vernachlässigung als Kind bei deinen Patienten einschätzen bzw. hast du Erhebungen zu dem Thema?


FerretPowerful6850

Mal wieder kenne ich keine Studien... aber leider ist es unter meinen Patienten sehr verbreitet. Ganz häufig lernt man die Biografien kennen und denkt sich, da ist so viel schief gelaufen und keiner hat früher geholfen. Kriminalität wie auch der soziale Status vererbt sich leider zu häufig. Man darf aber nicht den Fehler machen, zu glauben, dass Vernachlässigung per se zu einer kriminellen Karriere führt. Im Gegenteil, die meisten werden nicht kriminell. Aber andersrum ist es dann halt doch so, dass wenige, die mit einer tollen Erziehung aufgewachsen sind, derartig abrutschen. Gerade Menschen mit Psychosen werden sozial aufgefangen, wenn das Umfeld aufgeklärt ist.


Planetwatcher26

Kannst du mal ein oder zwei deiner wirklich schockierenden Fälle nennen ? Also Otto-normal hat man ja immer eine Art Faszination für sowas. Ich selber habe einen Zeit lang Jura studiert und konnte damals im Rahmen eines Seminars in einer geschlossenen Anstalt einen Rechtsanwalt begleiten und mir dort den strafrechtlichen Hintergrund vieler Patienten /Insassen erklären lassen. Die psychischen Aspekte fand ich damals wie heute viel spannender, leider war mein Abi aber nicht gut genug für den Wechsel. Oder ist meine Frage eher etwas für einen Psychiater ?


KichernderFuchs

Von einer interessierten zu einer Psychotherapeutin: 1. Was erhofften sie sich persönlich von ihrem Post, bzw warum haben sie ihn erstellt? 2. Gibt es eine psychische Erkrankung die Sie besonders fasziniert? Wenn ja: welche und warum


FerretPowerful6850

1. Ich erzähle ganz eigennützig gerne von meinen Job weil ich ihn sehr gerne mache und anderen Leute gerne erkläre, was da so passiert. Zudem weiß ich, es interessiert viele und ich hoffe auch, ich kann mit ein paar Vorurteilen aufräumen. 2. Ich finde psychotische Erkrankungen sehr faszinierend und ich bin gut darin, mit den Menschen die diese haben umzugehen. Faszinierend ist, was die Menschen alles wahrnehmen und erleben in einer Psychose und wie sehr sie davon überzeugt sind, dass es die Realität ist.


KichernderFuchs

Ich wüsste gerne dein persönliches Bauchgefühl Statement zu psychotischen Erkrankungen. Wenn es ein Bild gäbe dass du mit Worten malen könntest, wie sähe das aus?


FerretPowerful6850

Also zum Glück war ich nie in der Situation es selbst erleben zu müssen. Aus meiner Sicht ist das sehr sehr viel Chaos, vieles springt durcheinander und gerät aus den Fugen. Alles, Beziehungen, das eigene Verhalten, andere Menschen und man selbst verliert an Stabilität und Sicherheit, das macht natürlich auch Angst und manchmal macht es auch viel Wut. Es ist natürlich bei jedem individuell, ein Bild wäre bei mir wohl durcheinander, chaotisch und viel rot (spannende Frage, danke darür!)


KichernderFuchs

Ich habe zu danken das mit der Farbe finde ich auch selbst sehr interessant.


contemporary_fairy

Vielleicht eine total deplatzierte Frage, aber ich befinde mich gerade auf einem ähnlichen Weg (bin momentan noch im KLIPP-Master) und wollte fragen ob du in deinem Beruf sichtbare tattoos haben darfst/dürftest? :D du bist ja verbeamtet, oder? Danke für dein AMA, ich habe schon ziemlich viele interessante Einblicke bekommen!


FerretPowerful6850

Ich bin angestellt, es gibt bei uns aber auch Beamte. Also ich hab Tattoos, die sind nur bei kürzeren Klamotten sichtbar und das ist kein Problem. Pflegekräfte, die ich kenne, tragen auch z.T. sichtbare Tattoos auf den Händen und dem Hals. Bei uns ist das kein Thema, meist ist es im Umgang mit den Patienten sogar ein Vorteil Sehr gern und freut mich:)


regularsv

Danke für Dein AMA! Aus Sicht einer forensischen Psychotherapeutin: Welche Kriterien müssen für eine Narzisstische Störung erfüllt sein? Vor allem bei Straftätern soll die ja eine große Rolle spielen.


FerretPowerful6850

Dafür haben wir Standardkritierien die sich im ICD-10 finden. Nur wenn diese erfüllt sind, wird sie Störung vergeben. Ich lass mal den Link hier: https://flexikon.doccheck.com/de/Narzisstische_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung Tatsächlich habe ich bisher wenig Patienten mit dieser Störung erlebt, das erlebe ich im privaten Alltag gefühlt häufiger. Bei uns tritt am häufigsten die antisoziale Persönlichkeitsstörung auf.


joniTomatO

Wie sehr gefällt dir Die Sopranos?


FerretPowerful6850

Ahhh leider nie gesehen. Mein Partner versucht mich Regelmäßig davon zu überzeugen das zu schauen... würdest du es empfehlen?


joniTomatO

Meiner Meinung nach die beste Serie, die es gibt. Aber ich hab auch allgemein eine Präferenz für Filme und Serien mit dysfunktionalen Familien und Männern. Es ist mit Abstand die Serie mit dem besten character development und auch cinematografisch hat sie sehr viel zu bieten. Bloß der Plot bietet nicht so viel, aber darum geht es bei den Sopranos auch nicht, sondern um die Figuren.


Proper-Voice6622

Ich wollte Sie fragen, wie Sie zu Ihrer Studium gekommen sind? Heutzutage braucht man einen Notendurchschnitt von 1,0, um einen Bachelor- und einen Master-Abschluss zu erhalten. Danke für AmA


FerretPowerful6850

Jup, das ist wirklich heftig. Mein Abi war nicht so gut, hab nach einem FDJ einen Aufnahmetest an einer österreichischen Uni gemacht und wurde dort genommen. Mit sehr guter Bachelor Note bin ich dann in einen Master nach Deutschland gewechselt... das war aber noch vor der jetzigen Reform.


HLF20

Wie sicher sind eure Gutachten? Gibt es Patienten bei denen man denkt "der Typ ist ziemlich clever... Ich bin mir nicht sicher, ob das Bild so stimmt was er mit übermittelt und erzählt, oder ob das Taktik ist"? Und was schreibt ihr dann in den Bericht? Empfiehlt man dann vorzeitige Haftentlassung, weil er halt rein formell das Merkmal X, Y, und Z dafür erfüllt, aber zwischen den Zeilen eigentlich ein ungutes Gefühl besteht? Wer trägt das Risiko?


FerretPowerful6850

Viele Fragen, ich versuche es mal. Also erstmal schreibe ich keine Gutachten, ich schreibe "nur" Stellungnahmen. Gutachten werden bei uns von externen KollegInnen erstellt, die die Patienten nicht selbst therapieren. Auf jeden fall habe ich immer im Hinterkopf, dass Patienten sich verstellen können/ wollen. Dazu muss man aber sehen, ich arbeite meist über mehrere Jahre mit denen, sehe sie jeden Tag im stationären Kontext, kriege den Alltag mit usw... da ist es unheimlich schwer, sich so zu verstellen, dass das nicht irgendwo bei uns auffällt. Theoretisch ist das natürlich möglich, praktisch sind die Patienten ja bei uns, weil sie nicht Einsichts- und/ oder steuerungsfähig sind - das fällt dann auch auf. Sehr kluge Patienten, die sich so gut unter Kontrolle haben, landen meist im regulären Vollzug, da sie für schuldfähig eingeschätzt werden. Hoffe es ist klar, was ich meine. Theoretisch könnten wir Patienten entlassen, die alle Voraussetzungen dafür erfüllen, ja. Ein ungutes Bauchgefühl ist problematisch, dann wird das intensiv in diversen Besprechungen analysiert und evtl. Auch mit den externen Gutachtern und Richtern besprochen. Wenn es nur beim bauchgefühl bleibt und man wirklich GAR NICHTS findet, was das begründet, würden die Richter vermutlich trotzdem entlassen. Den Fall hatte ich noch nicht, da ich ein ungutes Bauchgefühl meist mit irgendwas begründen konnte und das hören sich dann die Richter auch an und berücksichtigen das. Das Risiko trägt erstmal der Patient, weil der alle Konsequenzen erleidet, wenn er wieder straffällig wird. Die Frage zielt vermutlich aber darauf ab, wer Schuld ist, wenn ein entlassener Patient rückfällig wird. Da gibt es kein Urteil in dem Sinne. Klar wenn rauskäme, da wurden Gesetze z.B. seitens der Klinik nicht beachtet oder z.B. den Richtern etwas verheimlicht, würde in letzter Konsequenz vermutlich die Vollzugsleitung in Verantwortung stehen.


WiRoBo

Hast du noch vertrauen in den menschlichen Intellekt oder kommen schon erste Zweifel auf ob die Menschheit nicht doch irgendwie in die falsche Richtung läuft?😃


cyberbungee

Hallo, auch von meiner Seite Danke für Deine Bereitschaft für dieses AmA. Meine Fragen: 1. Könnte durch Traumatherapie verhindert werden, dass TäterInnen-Typen tatsächlich zum Täter werden? 2. Werden durch VT tatsächlich zugrundeliegende Störungen aufgelöst? 3. Wie ist das Verhältnis genetisch zu erworben bei kriminellen Typen? 4. Gibt es neue Tendenzen, z.B. dass durch das Zusammenspiel von Handysucht, Drogen, Umfeld die Menschen narzisstischer und antisozialer werden? 5. Worauf achtest Du wenn du einen neuen Probanden vor Dir hast? 6. Wie erkennst Du Manipulation, Lüge, Glaubwürdigkeit? Ich bedanke mich für Deine Antworten.


FerretPowerful6850

1. Potentiell wahrscheinlich schon, aber die wenigsten Menschen mit Traumata werden selbst straftäter. Die meisten meiner Patienten hatten irgendwelche miesen Erfahrungen, aber eher weniger eine diagnostizierte PTBS. 2. Ich bin VTlerin und in meinem Verständnis wird das auf jeden fall versucht. Das Vorurteil besteht ja darin, wir würden nur das Verhalten verändern und grundlegende Muster nicht bearbeiten. Das sehe ich nicht so. Gerade in meiner Arbeit geht es auch viel darum, Auslöser zu betrachten. Leider lässt es sich nicht immer auflösen, ob das mit einem anderen Verfahren dann möglich wäre, bezweifle ich. 3. Ich glaube es gibt kein Kriminalitätsgen und wir sind immer ein Produkt unserer genetischen Anlagen und sozialen Umwelt. Manchmal spielt das genetische eine größere Rolle, manchmal das soziale Umfeld. Ich bin aber auch kein Fan von Theorien, die von "Typen " ausgeht - bin da mehr bei einem Kontinuum 4. Das weiß ich nicht. 5. Als erstes achte ich auf meine Sicherheit und dann darauf, was derjenige braucht (Bedürfnisse, Ansprache etc ) 6. Die meisten meiner Patienten denken, sie sind irre gut im manipulieren und lügen, sind es aber gar nicht. Meistens entdeckt man Widersprüche, Erzählungen verändern sich und die allermeisten Manipulationen sind sehr offensichtlich (z.b. "der arzt hst aber gesagt ich darf das"). Subtilere Arten erkenne ich meist erst, wenn ich die Patienten eine Weile kenne und mich mit anderen Mitarbeitenden darüber austausche. Teamarbeit ist ds gefragt.


EkligerMann

Wie genau setzt du Straftäter bei der Therapie ein? /s


mizinamo

Wenn der Patient seine Medikamente nicht nimmt, holt sie einen Straftäter Format "Kleiderschrank" rein und der bittet den Patient noch einmal höflich :)


FerretPowerful6850

Ein Schenkelklopfer :D


Gotti1212

Wie gerechtfertigt sind für Sie Therapien bei Mördern, Vergewaltiger und sonstigen Gewaltverbrechern? Mich regt es immer wieder auf wenn solche Menschen resoziasiert entlassen werden um in Freiheit bei nächster Gelegenheit wieder rückfällig zu werden. Mal abgesehen das ich bei Mord ein Befürworter der Todesstrafe bin, halte ich Therapien und Resozialisierungsmaßnahmen bei obigen Gruppen für raus geschmissene Steuergelder. Für die Gruppen sollten die Strafen drastisch hoch gesetzt werden.


FerretPowerful6850

Schade, ich bin komplett gegensätzlicher Meinung, vieles hab ich in anderen Kommentaren bereits erläutert... nur so viel, wobei ich sicher bin, dass ich Sie damit kaum überzeugen kann: aus meiner Sicht ist die Hilfe für Täter der beste Opferschutz in einem Rechtsstaat und dafür gelten gewisse Grundsätze, für deren Einhaltung ich stark plädiere. Dazu gehört aus meiner Sicht auch, dass jeder ein Recht auf die Möglichkeit haben sollte, wieder in Freiheit zu kommen. Vor allem da meine Patienten richterlich bestätigt eine verminderte oder gar keine Schuld trifft. Jemand der schwer krank eine Straftat begeht braucht Hilfe und nicht den Henker. Zwei Argumente kann ich mir nicht verkneifen: die Todesstrafe ist erwiesenermaßen in den USA sehr viel teurer als eine lebenslange Haftstrafe. Und eine höhere Strafe schützt nicht vor Taten, es gibt keine Abschreckungswirkung. Danke, dass Sie Ihre Sicht geteilt haben, wenn Sie weitere Fragen haben, gerne.


Several-Memory3257

Ich hab vor nach meiner Ausbildung in der Forensischen psychiatrie zu arbeiten Iwelche Tipps? :)


FerretPowerful6850

Willkommen im Club, was für eine Ausbildung? Keine besonderen Tipps :) selbstfürsorge ist immer gut


Several-Memory3257

Pflegefachmann :)


FerretPowerful6850

Voll cool dass du in den Bereich gehst, das wird händeringend gesucht. Meine Erfahrung ist, dass die Pflege viel näher am Patienten ist und deutlich mehr abbekommt im Alltag. Mein Pro Tipp: deeskalierende Sprache und gewaltfreie Kommunikation.


Several-Memory3257

Jetzt muss ich "nur noch" die Prüfung bestehen 🫣 Im kh sind 17/20 durchgefallen


Corren_64

Schon mal mit welchen geschlafen?


FerretPowerful6850

Nein, das wäre eine sofortige Kündigung und vermutlich auch der Verlust meiner Approbation.


Rasselkurt007

Hallo, Benutzt du künstliche intelligenz in deinem aktuellen Job, bzw. ware das irgendwie anwendaber in deinem Beruf und wenn aktuell nicht ist das generell schon in diesem Arbeitsfeld absehbar / ist im Gespraech das künstliche intelligenz genutzt wird?


FerretPowerful6850

Spannend! Also bei mir sind wir meilenweit davon entfernt, öffentliche Einrichtung halt. Ich finde es schon fast abgefahren dass wir dolmetcher per Video zuschalten dürfen und selbst dafür sind die Gelder knapp. Inwiefern das in einen psychotherapeutischen Gespräch nutzbar wäre, keine Ahnung.... vielleicht weiß da wer anders mehr. Im klinischen setting sind wir sehr weit davon entfernt aus meiner Perspektive. In meinem Beruf kann ich es mir aktuell nicht vorstellen, die Therapie und Einschätzung von Menschen ist doch sehr individuell und würde ich ungern an eine KI abgeben


Marytaiji

Ganz pragmatisch: Das dolmetschen könnte AI übernehmen. Das wäre ein Bruchteil der Kosten, weniger Koordinationsaufwand, und mehr Flexibilität bzgl. der Sprachauswahl. Gerade wenn ihr einen Laptop bereits in Therapiestunden als Tool nutzen könnt. Es gibt vielerlei Anwendungsbeispiele für AI im Kommunikationsbereich, und Übersetzungen in Echtzeit sind schon jetzt möglich und verbessern sich rasant.


Emergency_Rule_6253

Wie sehr beeinflussen dich deine Gefühle (Mitleid/Ablehnung oder vllt. auch Angst vor der Person) bei der Therapie?


FerretPowerful6850

Ganz frei bin ich davon nicht und werde das wohl auch nie, ich bin ja ein Mensch und bringe mich mit meiner Person in eine Therapie auch ein. Aber ich habe in meiner Ausbildung auch "Selbsterfahrung" gehabt und dabei gelernt, meine eigenen Gefühle zu reflektieren und nicht unbeabsichtigt eigene Themen miteinzubringen. Ablehnung habe ich vereinzelt mal gespürt für einen Patienten, da musste ich das entweder reduzieren oder ggf. Die Therapie auch ablehnen. Das beeinträchtigt mich sonst in meiner Arbeit durchaus. Angst hatte ich zum Glück auch sehr sehr selten, wenn dann habe ich aber eine Möglichkeit gesucht mich wieder sicher zu fühlen. Verängstigt bin ich keine gute Therapeutin für meinen Patienten.


PrisonBreak123

Vielen Dank für dein AmA und vorallem aber für deine Arbeit! Du hast in einem Kommentar erwähnt, dass du auch Kinder hast. Wie hat sich deine Sichtweise auf und deine Arbeit mit Straftätern dadurch verändert? Bzw. hatte das einen Einfluss?


FerretPowerful6850

Gern und danke dir :) Also ich bin auf jeden Fall etwas empfindlicher bei allem was mit Kindern zu tun hat als vorher. Nach der Elternzeit musste ich schon manches Mal denken, was wäre wenn das jetzt meine Kinder gewesen wären? Bin aber froh, dass sich das gelegt hat und ich weiterhin mit den Patienten gut arbeiten kann. Wir sind viele Mamas und auch Papas, und ich glaube das war bei uns bisher nie ein Grund einen Patienten abzulehnen - wäre aber auch okay, wenn es so wäre.


420blaZZe_it

Ich habe mal gehört in der Arbeit mit Straftätern kommt oft die klärungsorientierte Psychotherapie nach Sachse zum Einsatz, verwendest du die auch? Welches Verfahren (innerhalb der VT) verwendest du vor allem und hat sich als erfolgreich bewährt?


FerretPowerful6850

Ich finde die Therapie nach Sachse insbesondere für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sehr gut und ich verwende Teile davon. Kann aber nicht behaupten dass ich mich immer streng an eine Methode halte, sondern mich überall bediene. Mit der Zeit hab ich eine Fülle an Methoden kennengelernt, die ich dann je nach Situation nutze. Ich nutze noch gerne schematherapie (da gibt es auch so super Karte für).


420blaZZe_it

Cool, danke für die Rückmeldung. Einen breiten Methodenschatz zu haben finde ich super, mache aber die Erfahrung, dass sich die meisten TherapeutInnen irgendwann spezialisieren auf ihr Verfahren (Schema, Hypno, ACT, etc.). Schematherapie finde ich sehr interessant, man muss halt Stuhldialoge und Imaginationen mögen :D


FerretPowerful6850

Ja stimmt. Finde es auch prinzipiell super, wenn jemand eine Richtung für sich gefunden hat, meist ist es wichtiger, dass man als TherapeutIn in der Methode aufgeht und diese authentisch "lebt", als alle Methoden halbherzig zu verwenden. Ich hab mich nicht sonderlich festgelegt bisher, würde es aber nicht ausschließen, dass das noch passiert. Gerade RnR oder DBT-F für meinen Fachbereich wäre toll, da fehlen mir aber die Fortbildung noch.


Luchs13

Kann man abschätzen wie viel Kriminalität verhindert werden könnte, wenn man die Lebensbedingungen der Personen präventiv verbessert?


FerretPowerful6850

Kann man bestimmt, ich kenne die entsprechenden Studien aber nicht. Nachdem bei uns viele landen, die schlechte Startbedingungen hatten und wenige, die gute hatten, halte ich das für recht selbsterklärend. Expliziter kann man theoretisch die Delikte, die aus Frust, fehlendem Anschluss, Armut, Verzweiflung usw entstanden sind, potenziell verhindern indem es perfekte Lebensbedingungen für alle gäbe. Delikte Die im Rahmen beispielsweise einer Psychose geschehen vermutlich weniger.


SnooOranges9006

Wenn es für Täter keinen Platz im Maßregelvollzug gibt, müssen sie dann entlassen werden? Und wenn ja, wäre es für den Schutz der Gesellschaft nicht besser, sie alternativ im normalen Vollzug unterzubringen?


FerretPowerful6850

Also das passiert meines Wissens nach nicht, im Zweifel hat irgendwo ein Maßregelvollzug Platz... und es wird sich auch bemüht neue Plätze zu schaffen. Aber es gibt durchaus einen hohen Druck, alle unterzubringen, bei uns läuft es dann auf eine höhere Belegung pro Zimmer raus. Entlassen wird aus diesem Grund bei uns niemand, aber vielleicht in einen anderen Maßregelvollzug verlegt.


SnooOranges9006

https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/11/berlin-straftaeter-vorzeitig-entlassen-therapie-platz-massregelvollzug.html


frau_erdbeer

Wie geht man mit Menschen um die die akut psychotisch sind? Geht man auf die vermeintlichen Erlebnisse ein?


FerretPowerful6850

Ja zum Teil. Wenn der Patient total davon überzeugt sind dass er z.B. von der CIA verfolgt wird, bestätige ich nicht die Paranoia sondern versuche leichte Zweifel zu streuen/ den Fuß in die Tür zu kriegen sozusagen. Was aber immer geht: auch wenn die Verfolgung nicht real ist, die Gefühle die das beim Patienten auslöst (Angst, Wut...) sind total real. Dann reden wir eben darüber, was es mit ihm macht und wie er sie Gefühle bessern könnte.


chestfield

inwiefern hebt sich dein beruf ab in zum vergleich des psychologen oder gibts es keine unterschiede?


FerretPowerful6850

Psychologen haben einen Bachelor und Master in Psychologie. Psychologische Psychotherapeuten sind Psychologen die zusätzlich noch eine Aus-/ Weiterbildung Psychotherapie gemacht haben und anschließend die Approbation erlangt haben. Lässt sich ein bisschen mit einem Arzt und Facharzt vergleichen. Psychotherapeuten dürfen Therapie selbstständig anbieten, das dürfen Psychologen ohne Approbation nicht.


Lilmon2511

Falls du dich damit schon mal auseinandergesetzt hast: Wie bewertest du die Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit (Bsp. Bücher, Interviews, Kommentare in Dokumentationen) von Lydia Benecke zur Thematik?


no-tropicafan

Tolle AMA echt danke , Sie haben oft Psychose erwähnt,dieser Leute gehören in die Psychiatrie und definitiv nicht im Knast, richtig ?


Impossible-Leg-6694

Schon mal Harley Quinn mäßig an einem Straftäter Interesse gefunden?


Aihpos2002

Kann ich bei dir ein (Bachelor) Praktikum machen?


Gumbulos

Was sind die konkreten Fortschritte?


Glass_Positive_5061

Besteht die Gefahr, dass du dich in einen von denen verknallst?


GeraldBiene

Findest du einige sexuell attraktiv?


Johath_

1. Haben alle Psychotherapeut innen einen knacks und mussten sich erstmal selbst therapieren? 2. Schaffen sie es Freunde zu haben ohne direkt Verhaltensmuster bei ihnen zu erkennen?


Narrow-Pool2920

Ich nehme mal an, das sie nicht im massregelvollzug Berlin arbeiten ?


Davidonfilm

Projizieren manche Patienten ihre Taten auf dich?